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Es gibt nicht wenige Torhüter in der 60-jährigen Geschichte der Bundesliga, die für eine kurze Zeit kometenhaft aufgestiegen sind, deren Glanz aber genauso schnell wieder verblasst ist. Die Gründe dafür waren sehr unterschiedlich. Während manche den kurzen Moment - vielleicht aufgrund einer Verletzung des Stammtorhüters - als Plattform für ihr Können nutzen konnten, veränderte für andere ein Trainerwechsel die manchmal lange zementierte Hierarchie auf der Torwartposition. Es gab auch manche, die mit viel Talent ausgestattet waren, aber das Momentum nicht nutzen konnten und ihnen Patzer unterliefen, die sich tief in das Bewusstsein der Fußballgemeinde einbrannten. Die Einschätzung der Qualität eines Torhüters war davon dauerhaft geprägt, oft begleitet von einer gnadenlosen Presselandschaft. Zu der letztgenannten Gruppe gehört wohl auch Fabian Giefer, der auf dem Weg nach ganz oben schien, aber dort aufgrund von einschneidenden Patzern, ungünstigen Konstellationen im Torwartteam sowie Verletzungen zum falschen Zeitpunkt wohl nie den Weg gehen konnte, den ihm Fachleute zugetraut hatten.

Entwicklung bei Bayer 04

Einst galt Fabian Giefer als vielversprechendes Torwarttalent. Seit seinem 13 Lebensjahr hatte er alle Jugendmannschaften von Bayer 04 Leverkusen durchlaufen. Sein außergewöhnliches Talent blieb auch den DFB-Jugendtrainern nicht verborgen. Ab der U-17 war er fester Bestandteil der Nationalmannschaft und nahm mit ihr 2007 an der Europameisterschaft und der Weltmeisterschaft teil, bei der die deutsche Auswahlmannschaft den dritten Platz erreichte. Zwei weitere Länderspiele, eines in der U18- und eines in der U19-Auswahl, folgten.

In der Spielzeit 2009/10 rückte er als dritter Torwart in den Profikader von Bayer 04 auf, Spielerfahrung im Seniorenbereich sammelte er in der damals noch angemeldeten zweiten Mannschaft des Werksklubs in der Regionalliga West. Erstmals Bundesligaluft schnupperte er im November 2009, als sowohl der Stammtorhüter René Adler als auch der Ersatztorhüter Benedikt Fernandez ausgefallen waren. Überzeugende Leistungen führten dazu, dass er in der Folgesaison zur Nummer zwei im Bayer-Kader aufrückte. Ein Vorbeikommen an Nationaltorhüter Rene Adler, dem Stammtorhüter in der Werkself, war jedoch nahezu ausgeschlossen. Deshalb reifte nach neunjähriger Vereinszugehörigkeit zu Bayer 04 der Gedanke, zu einem anderen Verein zu wechseln, um regelmäßige Spieleinsätze auf hohem Spielniveau zu bekommen.

Es war die Zeit, als Jupp Heynckes Cheftrainer beim Werksklub war. Dem erfahrenen Trainer war das Talent des inzwischen 22-jährigen Schlussmanns nicht entgangen. Als Heynckes Wechsel zum deutschen Meister Bayern München im Sommer 2012 feststand und die Münchener nach dem Karriereende von Hans-Jörg Butt auf der Suche nach einer Nummer zwei waren, hätte Heynckes den talentierten Keeper gerne ihn als Backup für Manuel Neuer mit in die bayrische Hauptstadt genommen. Doch der junge Torhüter wählte einen anderen Weg. Trotz eines finanziell deutlich besseren Angebots vom deutschen Rekordmeister entschied sich Giefer für den Wechsel zu Fortuna Düsseldorf und für einen offenen Konkurrenzkampf im Tor des Bundesliga-Aufsteigers Fortuna Düsseldorf. „Wenn man Anfang 20 ist und sportlich etwas andere Ziele hat, dann geht man den anderen Weg, geht mehr Risiko. Darum gab ich Bayern auch einen Korb“, begründete er seine Entscheidung.

Erfolgreiche Zeit bei der Fortuna

Im Sommer 2012 unterschrieb Giefer einen Zweijahresvertrag bei den Fortunen. Im Konkurrenzkampf gegen den österreichischen Nationaltorhüter Robert Almer konnte er sich durchsetzen und war fortan die Nummer eins in einem Bundesligateam. Sein sportliches Ziel hatte er erreicht.

Auch wenn ihm bisweilen noch die Kontinuität fehlte, wartete Giefer meist mit hervorragenden Leistungen auf und sorgte mit seiner Präsenz und seinen starken Paraden für viel Aufsehen in der Fußball-Beletage. Nicht zu Unrecht stufte der Kicker das 1,96 m große Talent im Winter 2012/13 in die Kategorie „internationale Klasse“ ein, Auch wenn er mit den Fortunen am Saisonende den Abstieg nach einer langen punktlosen Phase in der Rückrunde nicht vermeiden konnte, hatte er sich mit seinen Leistungen in den Fokus anderer Vereine gespielt. Deshalb war es trotz seines bis Sommer 2014 laufenden Vertrages nur eine Frage der Zeit, bis ihn Vereine mit einer ordentlichen Gehaltserhöhung und besseren sportlichen Perspektiven von der Fortuna weglocken würden.

Bitterer Absturz auf Schalke

Im Sommer 2014 war es dann so weit. Schalke 04 holte Fabian Giefer ablösefrei, nachdem er seit Monaten als Wunschkandidat gegolten und schon im Winter über den Wechsel spekuliert worden war. Was zunächst für Giefer wie ein nächster Schritt auf der Karriereleiter aussah, entpuppte sich im Nachhinein als bitterer Absturz. Sein Weg versinnbildlicht das typische Schicksal der Torhüterposition. Es zeigt, welche Faktoren den Weg eines Keepers immer stark beeinflussen: Die Stärke des Konkurrenten, Verletzungen sowie das Vertrauen des Trainers.

In der Rückrunde vor Giefers Wechsel lieferte 04-Stammtorhüter Ralf Fährmann, nachdem er zuvor abgelöst werden sollte, so starke Leistungen ab, so dass ihn nicht wenige Experten im Aufgebot der Nationalmannschaft sehen wollten. Für den Neuankömmling auf Schalke war damit der Weg zwischen den Pfosten des Schalker Tores versperrt. Eine Adduktorenverletzung sorgte zudem dafür, dass er fast ein ganzes Jahr lang verletzt ausfiel. Deshalb war es nicht verwunderlich, dass sich Giefer auch in der Folgezeit auf Schalke nie richtig durchsetzen und Fuß fassen konnte. Aus dem einstigen Emporkömmling mit glänzenden sportlichen Perspektiven war mit der Zeit ein vergessener und kaum noch wahrgenommener Torhüter geworden, der von Einsätzen in Deutschlands Eliteliga weit entfernt war. Um ihm Spielpraxis zu verschaffen, war er im Winter 2017 sogar eine halbe Saison an den englischen Zweitligisten Bristol City verliehen worden. Eines war bereits zuvor klar: Seine Zeit auf Schalke war abgelaufen. Deshalb kehrte er im Anschluss an die Leihe nicht mehr zu den Königsblauen zurück, sondern verließ den Klub in Richtung Augsburg.

Auch keine Erfolgsgeschichte beim FCA

Beim FC Augsburg war zu dieser Zeit Manuel Baum Cheftrainer, dem als ehemaliger Torhüter und Torwart-Experte sehr wohl das Potenzial Fabian Giefers bewusst war. Deshalb lockten ihn die Fuggerstädter in den Süden Deutschlands und statteten ihn mit einem Vertrag bis im Juni 2021 aus. Doch auch beim FC Augsburg wurde Giefer sportlich nicht glücklicher, es kam sogar noch schlimmer. Mit einem großen Patzer sorgte er für die 2:3-Niederlage seines FC Augsburg gegen den SV Werder Bremen, weil er eine Viertelstunde vor Schluss einen harmlosen Pass von Werder-Stürmer Max Kruse durch die Beine passieren ließ. Sogar die eigenen Fans pfiffen ihn für den Mega-Patzer aus, zumal dem Keeper bereits der zweite schwere Patzer in kurzer Zeit unterlaufen war. Augsburg-Trainer Manuel Baum hielt nach dem Abpfiff zu Giefer. In einem der emotionalsten Interviews dieser Saison musste er sich sogar Tränen verkneifen. "Es steht ein Mensch im Tor, für den es mir unglaublich leid tut", sagte der sichtlich mitgenommene Baum. Auch Werder-Trainer Florian Kohfeld, selbst ein ehemaliger Torhüter, zeigte sich mitfühlend: "Das wünscht man keinem. Das ist das Brutalste. Ich wünsche mir, dass er den Kopf oben behält", sagte er in Richtung Giefer. Er hat nicht die Qualität für die Bundesliga, werden die einen sagen, andere ihn respektlos und abfällig als Fliegenfänger titulieren. Nachdenklichere begreifen aber, dass der Kopf in diesen Momenten eine entscheidende Rolle spielt. Zig tausend Mal hatte Giefer diesen Ball im Training schon beherrscht. Nun war aber die Situation eine andere. Nach den schwierigen Jahren auf Schalke wollte er allen beweisen, dass er das Zeug zu einer guten Nummer eins hat. Er durfte nicht versagen. Die Sportpsychologie lehrt uns, dass Selbstzweifel oder Versagensängste keine guten Begleiter sind, um Höchstleistungen abzuliefern. Möglicherweise waren es aber genau diese Faktoren, die es verhinderten, dass sich Giefer optimal auf die Handlung selbst konzentrieren konnte, sondern diese Gedanken den automatisierten Bewegungsablauf beeinflussten, indem er sich über Gebühr darauf konzentrierte.

Die Gesetzmäßigkeiten der Leistungsbranche sind bekannt. Nach den beiden Patzern fand sich Giefer auch beim FC Augsburg auf der Bank wieder und kam kaum zum Einsatz. Nach lediglich vier Pflichtspielen in drei Jahren löste Giefer seinen Vertrag in Augsburg Anfang August 2020 auf und versuchte sein Glück beim Zweitligaaufsteiger Würzburger Kickers, wo er ein zwei Jahre gültiges Arbeitspapier unterschrieb. Doch die Verbindung hielt nicht lange. Nach dem Wiederabstieg im Sommer 2021 verließ er den Verein mit unbekanntem Ziel. Nur eine einzige Saison stand er beim aktuellen Regionalligisten unter Vertrag.

Seit 2021 ist Giefer vereinslos. Es droht die bereits zweite Spielzeit ohne Vertrag für den Torhüter. Bislang ist es unklar, ob der 33-Jährige überhaupt noch einmal in seiner Karriere angreifen oder tatsächlich die Handschuhe an den Nagel hängen wird.

Fabian Giefer ist ein typisches Beispiel dafür, wie sehr verschiedene Faktoren den Erfolgsweg eines Torhüters von bestimmten Faktoren beeinflussen. Möglicherweise wäre sein Weg ganz anders verlaufen, wenn ihn in den ersten Partien auf Schalke oder in Augsburg wie in Düsseldorf gute Spiele gelungen wären und die dadurch gewonnene Selbstsicherheit ihn zu weiteren Höhenflügen getragen hätte. Möglicherweise hat ihm auch das Potenzial für ganz oben gefehlt, werden manche behaupten. Viele unterschätzen aber auch in ihrer schnellen Bewertung, welch enorme mentale Stärke gefordert ist, das Rüstzeug, das man sich über viele Jahre antrainiert hat, auch vor Tausenden von Menschen abzurufen, und das in einem sehr jungen Alter. Um dauerhaft in Deutschland Eliteliga anzukommen, braucht es auch einige Faktoren mehr als nur das Können. DFB-TW-Koordinator Marc Ziegler brachte einmal den Erfolgsweg eines Torhüters auf den Punkt: „Es gehört auch Glück dazu, im richtigen Verein den richtigen Trainer im richtigen Moment zu haben, so wie einst Neuer beim FC Schalke 04 von Mirko Slomka das Vertrauen bekam.“ Ergänzend möchte man hinzufügen, „und das Momentum nützen zu können, wenn es einem geboten wird.“

Blickpunkt Fabian Giefer

Artur Stopper

Artur Stopper

Mit über 25 Jahren Erfahrung als Torwarttrainer weiß Artur, wie Torhüter ticken. Deshalb bevorzugt er Themen, die die Welt der Torhüter ausmachen: Vereinswechsel, Tiefschläge, Pechsträhnen, Höhenflüge, Emotionen, Ersatzbank, Halbgötter, Erfolge.

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