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Als Rolf Herings, ein ehemaliger Leichtathlet und Olympia-Teilnehmer im Speerwurf, Mitte der 80er Jahre die Torhüter des 1. FC Köln unter seine Fittiche nahm, war das ein Novum in der Bundesliga. Offiziell war Herings eigentlich Konditionstrainer, aber irgendwer musste sich um die Schlussmänner kümmern, also machte er das nebenbei. Im Laufe der Zeit füllte Herings aber die Rolle des Torwarttrainers immer konsequenter aus und machte den ehemaligen „Zappelphilipp“ Schumacher zu einem der weltbesten Torhüter in den achtziger Jahren.

Weil dieser Arbeitsnachweis auch den Konkurrenten nicht verborgen blieb, installierten immer mehr Vereine einen Spezialtrainer für Torhüter. Heute ist der Torwarttrainer ein fester Bestandteil des Trainerteams bis hinab in untere Ligen. Inzwischen arbeiten viele Bundesligisten sogar in einigen Trainingseinheiten mit zwei Torwarttrainern, wie z.B. Bayer 04 Leverkusen und der VfB Stuttgart. Dabei wird der Profi-Torwarttrainer häufig vom U19-, U23-Torwarttrainer oder Torwart-Koordinator unterstützt. Welche Überlegungen verbergen sich hinter dieser Arbeitsweise und welche Vorteile bringt diese Methode? Welche Bedingungen müssen gegeben sein und welche möglichen Probleme gilt es zu bedenken? Goalguard hat Bayer 04-Profi-Torwarttrainer David Thiel und Jan Conradi, Torwart-Koordinator beim Werksklub, bei ihrer Arbeit beobachtet und sie zu den Erfahrungen bei ihrer Zusammenarbeit befragt.

Welche Vorteile hat die Zusammenarbeit?

In einem sind sich die beiden Bayer 04-Torwarttrainer einig. Die Arbeit mit zwei Torwarttrainern bringt einige Vorteile mit sich.

Der erste wichtige Vorteil ist, dass zwei Trainer unterschiedliche Gedanken, Erfahrungen und unterschiedliches Wissen in die gemeinsame Trainingsarbeit einfließen lassen, wenn sie sich austauschen. Neue Sichtweisen und Überlegungen führen in der Regel zu mehr Kreativität und Ideen bei der Trainingsgestaltung, weil man lieb gewonnene Routinen überdenken muss und neue Denkanstöße erhält. Durch den Zuwachs an Input erhöht sich zwangsläufig die Qualität des Trainings.

Eine alte Lebensweisheit sagt: „Vier Augen sehen mehr als zwei“. Diese Lebenserfahrungen lassen sich auch auf die Arbeit mit zwei Torwarttrainern übertragen. Zweifellos entgeht zwei Menschen, die den Fokus auf etwas gerichtet haben, weniger als einer einzelnen Person. Außerdem kann der Torwarttrainer, der gerade nicht schießt, seine ganze Konzentration auf den Bewegungsablauf des Torhüters richten und dadurch Feinheiten im Bewegungsablauf entdecken, die dem Torwarttrainer als Schütze möglicherweise entgangen wären, weil er sich auf den Schuss konzentrieren muss.

In besonderem Maße ergänzen sich zwei Torwarttrainer, wenn der eine, wie im Fall von Bayer 04 Leverkusen, Rechtsfuß (David) und der andere Linksfuß (Jan) ist. „Wir können dadurch unterschiedliche Schusswinkel mit Schüssen von beiden Seiten bedienen“, betont David Thiel. Zudem bleibt die Stärke des Schusses auf beiden Seiten in diesem Fall in etwa gleich. Arbeitet ein Trainer hingegen allein, wird er in der Regel mit seinem schwachen Fuß schwächere Schüsse aufs Tor bringen.

Grundsätzlich sollte ein Torwarttraining nicht nur als Selbstzweck dienen, sondern im optimalen Fall auf die anschließenden Anforderungen im Mannschaftstraining ausgerichtet sein. Beispiel: Sind in den anschließenden Spielformen z.B. viele 1gegen1-Situationen zu erwarten, bieten sich im individuellen Training der Torhüter vorbereitende Übungen dazu an. Sobald zwei Torhüter in das anschließende Mannschaftstraining integriert werden, kann der Profi-Torwarttrainer zwei seiner Torhüter begleiten, um ein Auge darauf zu werfen, wie das zuvor im Torwarttraining Geübte in Spielformen mit der Mannschaft umgesetzt wird. Bei Fehlern kann er die Keeper entsprechend coachen. Der zweite Torwarttrainer führt hingegen die Trainingsarbeit mit den übrigen Torhütern, die nicht im Mannschaftstraining gebraucht werden, weiter. So sind beide Trainingsgruppen optimal betreut.

Der fünfte Vorteil ist eher ein pragmatischer. Oftmals befindet sich der Profi-Torwarttrainer unmittelbar vor dem Training noch in Gesprächen und Absprachen mit dem gesamten Trainerteam. Diese Zeit kann der andere Torwarttrainer bereits dazu nutzen, auf dem Platz alles vorzubereiten, was für die Trainingseinheit wichtig ist. So ist schon alles aufgebaut, wenn die Torhüter zum Training erscheinen. Auf dieses Weise geht keine Trainingszeit verloren und der Start ins Training erfolgt stressfrei. Wie sehr diese Vorgehensweise die Arbeit entlastet, „merkt man besonders in Trainingslagern, wo es manchmal in den letzten Absprachen vor dem Training besonders eng ist. Ab und zu ist die Zeit bis zum Trainingsbeginn so knapp, dass man in der Kürze der Zeit gar nicht alles herrichten kann“, meint David Thiel.

Jan Conradi sieht noch einen anderen Aspekt in der gemeinsamen Arbeit: „Zu zweit kann man in einer deutlich höheren Frequenz arbeiten und besser steuern.“ Während z.B. der eine Torwarttrainer einen Ball zum nächsten Schuss bereitlegt, erfolgt schon der Schuss des anderen. Außerdem lassen sich Aktionen von beiden Seiten in schneller Abfolge einbauen. Im Blick behalten müsse man aber, dass in diesem Fall nicht zu viele Wiederholungen durchgeführt werden, wozu man in dieser Situation häufig tendiert. Das Augenmerk sollte also eher darauf gerichtet sein, „die Frequenz herunterzuregulieren als hochzufahren.“

Ein weiterer wichtiger Vorteil ist, dass sich mit zwei Torwarttrainern Übungen spielnaher gestalten lassen. Man kann beispielsweise beide Seiten gleichzeitig trainieren, während bei einem Torwarttrainer ansonsten in der Regel eine auf der rechten Seite durchgeführte Übung anschließend auf der anderen Seite trainiert werden muss. Auch andere Schwerpunkte, wie z.B. im Offensivspiel, lassen sich spielnaher trainieren, wenn zwei Torwarttrainer in Form von zwei „Stürmern“ den Torhüter anlaufen oder bei einer Spielform mit drei Torhütern und zwei TW-Trainern das Aufbauspiel im Dreieck trainiert werden kann. Aber auch insgesamt lässt sich ein größeres Übungsspektrum kreieren, weil bei zwei Torwarttrainern mehr Optionen zur Gestaltung von Übungen zur Verfügung stehen.

Von Vorteil ist die Arbeit mit zwei Torwarttrainern auch, sollte der Profi-Torwarttrainer einmal krankheitsbedingt ausfallen oder aus anderen Gründen verhindert sein. In diesem Fall kann ein zweiter Torwarttrainer die Arbeit des „Chef-Torwarttrainers nahtlos fortführen, weil er mit dessen Arbeitsweise und Zielstellung bereits vertraut ist. Dasselbe ist möglich, wenn einer der beiden durch eine Verletzung gehandicapt ist. In diesem Fall schießt der eine, während der andere nur beobachtet.

Noch ein letzter Gedanke spielt eine äußerst wichtige Rolle. Besonders junge Torwarttrainer können vom Erfahrungsschatz und Fachwissen eines älteren Kollegen profitieren, wenn sie an der Trainingsarbeit mit den Profis beteiligt sind. Der Ältere kann dabei als eine Art Mentor fungieren, der den jüngeren auf seinem Ausbildungsweg unterstützt. Davon profitiert der gesamte Verein. Denn nimmt ein Jugend-Torwarttrainer wahr, was in Spitzensport gefordert ist, kann er seine Erfahrungen in die Arbeit mit dem Nachwuchs einbringen.

Nur so kann die Zusammenarbeit gelingen!

Damit die Zusammenarbeit erfolgreich gelingt, sind aber wie bei jeder Teamarbeit einige Grundbedingungen die Voraussetzung.

„Die Grundlage für die Zusammenarbeit ist ein ähnliches Verständnis vom Torwartspiel“, sagt David Thiel, denn erfolgreiche Arbeit in der Torwart-Trainingsgruppe wird nicht gelingen, wenn einer der beiden Torwarttrainer "eine andere Sprache spricht", indem er z.B. ein anderes taktisches Verhalten in bestimmten Spielsituationen erklärt, das sich vom "Chef"-Trainer unterscheidet oder andere Bewegungsbilder bei technischen Abläufen vor Augen hat. Die Folge daraus wäre, dass von den beiden Torwarttrainern unterschiedlich korrigiert würde. Ein denkbar ungünstiger Zustand, denn eine solche Zusammenarbeit würde bei den Torhütern eher zu Konfusionen führen, als dass sie ihnen hilft. Es ist also von grundlegender Bedeutung, dass die Torwarttrainer in ihrer Vorstellung von technischen und taktischen Abläufen in bestimmten Spielsituationen absolut deckungsgleich sind und eine einheitliche Meinung abgeben. Ist diese Grundlage nicht gegeben, macht eine Zusammenarbeit wenig Sinn.

Vertrauen ist eine der grundlegenden Säulen jeder erfolgreichen Teamarbeit. Das gilt auch für die Zusammenarbeit von zwei Torwarttrainern. Vertrauen kann nur entstehen, wenn sich beide auf die Integrität des Anderen verlassen können und die Offenheit untereinander nicht ausgenutzt wird, um z.B. mögliche Schwächen des einen Trainers hinter dem Rücken des Trainerkollegen mit anderen Trainern zu besprechen oder sich die Gunst der Profi-Torhüter zu erschleichen, um möglicherweise selbst in die Position des "Chefs" zu gelangen. Ohne dieses Vertrauen ist aber eine gute und erfolgreiche Zusammenarbeit im Team nicht möglich.

Jan Conradi hält zudem „ein klares Rollenverständnis, vor allem auf dem Platz“, für äußerst wichtig. Es muss nach seiner Meinung immer klar sein, wer letztlich die finalen Entscheidungen trifft, sowohl in der Trainingsvorbereitung, im Training als auch in der Nachbereitung. "Deshalb muss ich manchmal auf dem Platz bei einer anderen Denkweise meine Vorstellung runterschlucken, etwas warten oder meine Ansicht erst im Nachgang ansprechen“, meint der Bayer 04-Torwart-Koordinator. Unterschiedliche Meinungen und Diskussionen auf dem Platz sind jedenfalls nicht zielführend, da sind sich beide einig.

Grundlage jeder Zusammenarbeit sind Loyalität, klares Rollenverständnis und Vertrauen. Speziell im Torwarttrainerbereich kommen sich deckende Vorstellungen im Torwartspiel bei technischen und taktischen Aspekten hinzu. Sind diese Voraussetzungen gegeben, kann ein Austausch und eine Zusammenarbeit nur einen Mehrwert für den Verein und jeden Trainer bedeuten.

Training

Artur Stopper

Artur Stopper

Mit über 25 Jahren Erfahrung als Torwarttrainer weiß Artur, wie Torhüter ticken. Deshalb bevorzugt er Themen, die die Welt der Torhüter ausmachen: Vereinswechsel, Tiefschläge, Pechsträhnen, Höhenflüge, Emotionen, Ersatzbank, Halbgötter, Erfolge.

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