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Das wochenlange Pokerspiel zwischen dem deutschen Meister FC Bayern München und dem Ligakonkurrenten VfB Stuttgart um Alexander Nübel ist zu Ende. Was zunächst wie eine längere Geduldsprobe aussah, führte nun am vergangenen Sonntagabend zu einer schnellen Einigung. "Wir haben seine Entscheidung akzeptiert, und wenn er einen Verein findet, kann er gehen", hatte Bayern-Ehrenpräsident Uli Hoeneß bereits vor dem Wochenende zu einem möglichen Abschied Nübels geäußert. Die beiden Vereine verständigten auf ein Leihgeschäft für die kommende Saison. Von rund einer Million Euro ist die Rede, eine Kaufoption hingegen wurde nicht vereinbart. Nübel verzichtet für den VfB auf Teile seines Gehalts. Nach Informationen der BILD wird Nübel zwar noch immer mit satten drei Millionen Euro entlohnt, doch entspricht dieses Gehalt einem Verzicht von 50 Prozent. Das normale Salär hätte der VfB keineswegs stemmen können. Damit zählt der Keeper aber zu den Topverdienern bei den Schwaben.

Für Nübel ist es die zweite Leihe in Folge, nachdem er in den vergangenen beiden Jahren bei der AS Monaco in Frankreich gespielt hat. Offenbar war der VfB Stuttgart nicht der einzige Interessent, auch der englische Zweitligist Leeds United streckte die Fühler nach dem Keeper aus. Der gebürtige Paderborner entschied sich aber trotz Gehaltseinbußen für die Schwaben, weil er in der Bundesliga bleiben wollte.

Missverständnis Bayern München

Vor drei Jahren hatte der FC Bayern München Alexander Nübel zur Saison 2020/21 verpflichtet. Der damalige U21-Nationaltorhüter kam ablösefrei vom FC Schalke 04 und unterschrieb in München einen Fünfjahresvertrag. Das Ziel der Bayern war klar. Sie wollten mit dem Transfer verhindern, dass es nach dem Karriereende von Manuel Neuer eine ähnliche Vakanz im Münchner Tor geben könnte wie nach dem Abgang von Oliver Kahn 2008, als weder Michael Rensing, noch Thomas Kraft oder Hans-Jörg Butt dauerhaft den hohen Ansprüchen genügen konnten. Deshalb sollte sich der damals 23-jährige Keeper im Schatten von Manuel Neuer bei den Bayern weiterentwickeln und langfristig als dessen Nachfolger in München und in der deutschen Nationalmannschaft aufgebaut werden.

Heftig waren die Reaktionen der Fans auf Schalke, als Anfang Januar 2020 der Wechsel des Torwart-Talents zu den Bayern bekannt gegeben wurde. Ihnen fehlte jegliches Verständnis für Nübels Entscheidung, sich in München hinter Nationaltorwart Manuel Neuer auf die Bank zu setzen, zumal sich Schalke 04 intensiv darum bemüht hatte, ihn noch einige Zeit in Gelsenkirchen zu halten. Angeblich hatten die Schalker für Nübels Unterschrift eine Ausstiegsklausel sowie eine Anhebung seines Jahresgehalts von seinerzeit rund 600.000 auf künftig 5,0 Millionen Euro geboten. Zudem war der junge Torhüter vor der Saison zum Kapitän befördert worden, um seine Bedeutung für den Klub zum Ausdruck zu bringen. Ohne Erfolg! Die Emotionen kochten zusätzlich hoch, weil mit Alexander Nübel nach Leon Goretzka (FC Bayern), Joel Matip (FC Liverpool), Sead Kolasinac (FC Arsenal), Max Meyer (Crystal Palace), Eric Maxim Choupo-Moting (Stoke City) ein weiterer Spieler Schalke 04 ablösefrei verließ und dem Verein dadurch wichtige Einnahmen entgingen. Auf der vereinseigenen Homepage äußerte sich Sportvorstand Jochen Schneider damals in einem offiziellen Statement: "Nach allen Gesprächen, die wir in den letzten Monaten mit Alexander Nübel und seinem Berater geführt haben, sind wir über seinen Entschluss nicht sehr überrascht und respektieren diesen selbstverständlich. Verstehen müssen wir seine Entscheidung indes nicht." Den Fans stieß die Entscheidung sauer auf. Am liebsten hätten sie den ehemaligen Hoffnungsträger und Publikumsliebling direkt auf der Bank gesehen, andere forderten, ihm sofort die Kapitänsbinde zu entziehen. Sogar seine Eltern waren nach Bekanntgabe des Transfers von wütenden S04-Fans bedroht worden.

Auch viele Experten beäugten den Wechsel sehr kritisch. Schließlich war Nübel noch relativ neu im Bundesliga-Geschäft. Erst ein Jahr zuvor hatte er Ralf Fährmann aus dem Schalke-Tor verdrängt und kam auf gerade mal 35 Bundesligaspiele. Als Manuel Neuer 2011 von Schalke zu den Bayern wechselte, tat er das unter anderen Voraussetzungen. Er hatte zu diesem Zeitpunkt bereits über 150 Bundesligapartien absolviert, den DFB-Pokal gewonnen und war ins Halbfinale der Champions-League eingezogen. Auch vielen Fachleuten erschien deshalb der Wechsel Nübel nach München als verfrüht.

Einig sind sich alle Experten darin, dass ständige Spielpraxis ein entscheidender Faktor ist für die Entwicklung eines Torhüters ist. Daher erschien vielen das Risiko groß, an Neuer nicht vorbeizukommen, somit keine Spielpraxis sammeln zu können und einen positiven Fortgang seiner Laufbahn mit diesem frühen Wechsel nach München zu gefährden. Der „Kicker“ erkannte hingegen „eine klare Strategie“ der Bayern für den Übergang von Neuer zu Nübel. Der Plan von Bayern-Sportdirektor Hasan Salihamidžić hatte Nübel jedenfalls so überzeugt, dass er andere Angebot ausschlug. Unter anderem sollen der FC Barcelona, Atlético Madrid und der AC Mailand an dem Torwart interessiert gewesen sein. Allerdings ging der Plan nicht auf. Dieser bestand offenbar darin, dass Nübel in Absprache mit Neuer regelmäßige Einsätze erhalten und langfristig zur neuen Nummer eins aufgebaut werden sollte. Allerdings hatten die beteiligten Parteien in ihre Überlegungen offensichtlich nicht Neuers Ehrgeiz mit einbezogen, der dafür bekannt ist, jedes Spiel bestreiten zu wollen. Für ein mögliches Jobsharing mit Nübel war Manuel Neuer jedenfalls in einem Gespräch mit Bayerns Sportvorstand Hasan Salihamidzic nicht zu begeistern. Er lehnte den Vorschlag schlichtweg ab.

Ob es jemals Einsatzgarantien gegeben hat und wie die möglichen Absprachen ausgesehen haben, wissen nur die Beteiligten. Als Ergebnis blieb übrig, dass Trainer Hansi Flick Nübel erst am vorletzten Spieltag in der Bundesliga einsetzte, nachdem der Meistertitel schon entschieden war. Am Saisonende stand also ein einziger Bundesliga-Einsatz zu Buche.

Nübel wechselt zur AS Monaco

Nachdem sich sein Engagement in München längst als riesiges Missverständnis erwiesen hatte, wechselte Nübel zur Saison 2021/22 für zwei Jahre auf Leihbasis zur AS Monaco, die vom ehemaligen Bayern-Trainer Niko Kovač trainiert wurde. Spielpraxis erhielt er dort reichlich, denn in den beiden Jahren kam er auf 76 Einsätze bei den Monogassen.

Ins Blickfeld der Bayern rückte Nübel erneut, als sich Neuer privat das Schien- und Wadenbein brach und Bayern dringend Ersatz brauchte. Sofort streckten die Bayern-Verantwortlichen ihre Fühler nach ihm aus. Die Verantwortlichen in Monaco erteilten diesen Gedankengängen aber eine Absage, Nübel erhielt keine frühzeitige Freigabe. Für eine mögliche Rückkehr zu den Bayern wollte Nübel zudem zuerst eine klare Perspektive, die aber nicht möglich war, weil niemand erahnen konnte, wie die Rekonvaleszenz von Neuer verlaufen würde. Hinzu kam, dass Nübel nicht mehr mit Bayerns Torwarttrainer Toni Tapalović zusammenarbeiten wollte. Die Voraussetzungen für eine Rückkehr zu den Bayern waren also äußerst ungünstig, obwohl er vertraglich noch bis 2025 an den Verein gebunden ist. „Wir haben immer gesagt, dass es keinen Sinn für Alex ergibt, zu Bayern zurückzukommen, solange Manuel Neuer noch da ist. Er ist jetzt wieder fit“, sagte Nübels Berater Stefan Backs. „Deshalb suche ich für Alex einen neuen Klub – und zwar einen, der ihn möglichst weiterbringt.“ Auch die Kriterien für einen Wechsel nannte Backs. Für Nübel gehe es bei einem Wechsel vor allem darum, dass „er spielen muss“. „Kriterium Nummer zwei“ sei „ein möglichst hohes Spielniveau, am besten Champions League oder Premier League.“

Mit seinem Wechsel zum VfB Stuttgart auf Leihbasis für ein Jahr bis 2024 hat er zumindest das erste Kriterium erreicht. Er wird in der kommenden Saison als klare Nummer eins das Tor der Schwaben hüten und damit genügend Spieleinsätze erhalten. Da er gesetzt ist, muss er nicht in einen offenen Wettkampf mit den Kollegen treten.

Nach zwei Jahren beim AS Monaco ist es ruhig geworden um den einst meistgehypten junge Torhüter in Deutschland. Vielleicht gelingt es ihm, sich mit guten Leistungen beim VfB ins Rampenlicht zurückzuspielen und über Umwege seine ursprünglichen sportlichen Ziele, auch bei den Bayern, doch noch zu erreichen. Mit 26 Jahren ist er noch längst nicht am Zenit seiner Leistungsfähigkeit angekommen. Zudem dreht sich der Wind im Haifischbecken Bundesliga manchmal schnell. Deutschland wartet bereits seit einiger Zeit auf einen Torhüter, der die Generation Neuer, ter Stegen, Leno oder Trapp einmal beerben könnte.

Blickpunkt 1. BundesligaAlexander NübelFC Bayern MünchenVfB Stuttgart

Artur Stopper

Artur Stopper

Mit über 25 Jahren Erfahrung als Torwarttrainer weiß Artur, wie Torhüter ticken. Deshalb bevorzugt er Themen, die die Welt der Torhüter ausmachen: Vereinswechsel, Tiefschläge, Pechsträhnen, Höhenflüge, Emotionen, Ersatzbank, Halbgötter, Erfolge.

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