Die WM 2018 vor vier Jahren in Russland konnte man zweifellos als die WM der Standards bezeichnen, denn 45 % aller Tore wurden nach Standardaktionen erzielt. Deshalb waren viele Experten im Vorfeld der WM gespannt, ob sich dieser Trend bei der WM in Katar womöglich noch fortsetzen würde, zumal als Konsequenz aus dieser Entwicklung – wie auch im deutschen Team mit dem Dänen Mads Buttgereit – Spezialtrainer für Standardsituationen ins Trainerteam integriert wurden, die für noch mehr Erfolge in diesem Bereich sorgen sollten. Diese Erwartungen wurden bei der WM 2022 in Katar allerdings nicht erfüllt. Mit insgesamt 172 Toren gelangen zwar drei Tore mehr als vier Jahre zuvor in Russland, doch nur bei 31 von 172 Toren führten Standardsituationen zum Erfolg. Das entspricht einem prozentualen Anteil von 18 %.
Standards waren unterschiedlich erfolgreich
Während bei der WM 2014 und 2018 eine große Anzahl an Toren nach Eckbällen oder Freistößen erzielt wurde, setzte sich dieser Trend in Katar nicht fort. Gegenüber der WM 2018 in Russland verwandelten die Schützen nach Eckbällen elf Tore und nach indirekten Freistößen 4 Tore weniger. Die Erfolge nach Eckbällen (7 Tore) und nach Freistößen (7 Tore) hielten sich bei dieser WM die Waage. Eine mögliche Erklärung für die rückläufige Bewegung könnte sein, dass nach der hohen Anzahl an Standardtoren bei der WM 2018 viele Trainer in ihrer Trainingsarbeit die Defensive besser auf die Abwehr von Flankenbällen vorbereitet hatten. Denn im Sport wird auf jede erfolgreiche Neuerung immer mit einem "Gegenmittel" entwickelt. D. h. in diesem Fall, dass die Trainer durch die Analyse des Gegners Möglichkeiten ausklügelten, wie die Standards besser verteidigt werden können und damit weniger zum Erfolg führen. Durch gezieltes Training wurde die Strafraumverteidigung anschließend verbessert.
Wie bereits bei früheren Weltmeisterschaften waren auch bei der WM in Katar Strafstöße der sicherste Weg, über Standards Tore zu erzielen. 23 Elfmeter wurden insgesamt während des Turniers geschossen, 17 davon verwandelt. Nicht berücksichtigt sind bei dieser Zahl die beim Elfmeterschießen im Anschluss an die Verlängerung erzielten Treffer.
Analyse der Eckbälle: Fuß vor Kopf
Interessant ist auch ein spezieller Blick auf die Gegentreffer nach Eckbällen. Bei nur zwei Toren führte ein direkter Kopfstoß zum Erfolg. Während Famara Diethui im Spiel gegen Katar nach einem Vorwärtslauf in Richtung 5-m-Linie den Ball per Kopf über die Abwehrspieler und dem Torhüter hinweg in die lange Ecke platzierte, traf der Portugiese Pepe mittig aus 5 m, weil er sich im Luftduell gegen zwei Abwehrspieler durchsetzte.
Alle anderen fünf Tore nach Eckbällen wurden erst nach einem zusätzlichen Ballkontakt erzielt. In allen Fällen wurde der Ball per Kopf oder Fuß von einem Spieler in Richtung hinterer Torpfosten verlängert, wo ihn ein Mitspieler per Fuß (4x) oder per Kopf (1x) aus kurzer Distanz ins Tor beförderte.
Freistöße unter der Lupe
Wenig Tore wurden bei der WM 2022 auch nach einem Freistoß erzielt. Nur zwei direkte Freistoßtore führten direkt zum Erfolg. So spitzelte der Engländer Marcus Rashford den Ball aus 22 m in den Torwinkel, dem Mexikaner Luis Chávez gelang dieses Kunststück sogar aus 28 m. Weniger direkt erzielte Tore gab es seit der WM 1966 in England, wo ebenfalls nur zwei Freistöße direkt verwandelt wurden, nie.
Ein interessante und ungewöhnlicheAusführung des Freistoßes war im Spiel Niederlande gegen Argentinien zu beobachten. Der Freistoßschütze schoss aus einer Entfernung von 20 m - wie sonst meist üblich - nicht direkt aufs Tor, sondern leitete den Ball per flachem Kurzpass auf den in der Mauer stehenden Wout Weghorst, der nach einer Drehung den Ball zur Überraschung der Argentinier aus 8 m ins Tor versenkte.