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Es war die Bundesligasaison 2011/12, als plötzlich eine regelrechte Schwemme junger Torhüter zu Stammtorhütern in der Bundesliga wurde. Bis dahin galt der alte, nahezu in Stein gemeißelte Spruch, dass sich Torhüter erst ab 30 Jahren im besten Torwartalter befinden. Mit einem Mal schien dieses Dogma außer Kraft gesetzt. Statt Rost, Butt, Lehmann oder Kahn hießen die Stammtorhüter mit einem Mal ter Stegen, Leno, Zieler, Kraft, Sippel, Ulreich oder Baumann und waren alle zwischen 20 und 24 Jahre alt. Fast über Nacht war das Durchschnittsalter der Bundesliga-Stammkeeper auf 25,8 Jahre gesenkt. Was war passiert?

Die damaligen Gründe für den Wandel

Die Weltmeisterschaften 1998 und 2002 hatten trotz Teilerfolgen (Platz 2 bei WM 2002) deutlich gemacht, dass die spielerische Qualität des deutschen Fußballs am Boden lag. Nationen wie z.B. Frankreich hatten die Deutschen in Sachen Fußball den Rang abgelaufen. Um den Anschluss an die führenden Fußballnationen wieder zu erlangen, startete der DFB im Rahmen des Talentförderprogramms deshalb in der Saison 2002/03 mit dem Projekt Nachwuchsförderung. Alle Vereine der ersten und zweiten Bundesliga wurden zum Aufbau eines Nachwuchsleistungszentrums (NLZ) verpflichtet. Vereine unterhalb der ersten beiden Ligen stand diese Option offen. Das Ziel war fest anvisiert: Regionale Spitzentalente und Perspektivspieler sollten systematisch in einem hochprofessionellen Umfeld auf den Profifußball vorbereitet werden. Gut ausgebildete Talente sollten Deutschlands Nationalteam wieder zu internationalem Glanz und Erfolgen verhelfen.

Die erhoffte Wirkung blieb nicht aus, auch bei Torhütern. Während anfangs der 90er-Jahre Torwarttrainer in Vereinen eher noch eine Ausnahme bildeten, wurden spätestens mit der Einführung der NLZs junge Torhüter bereits im Jugendalter von lizenzierten Trainern technisch, taktisch und fußballerisch gut ausgebildet. Speziell in der Bereichen Mitspielen und Spieleröffnung hatten sie deshalb deutliche Vorteile gegenüber den etablierten Torhütern, die die Vorzüge dieser intensiven Schulung in ihrer Ausbildung meist noch nicht genießen konnten.

Hinzu kam, dass sich mit der Einführung der Rückpassregel 1992 das Torwartspiel in starkem Maße verändert hatte. Der Torhüter war ab sofort nicht mehr nur für die Torverteidigung und die Beherrschung des Strafraums zuständig, sondern sein Aufgabenfeld hatte sich deutlich erweitert. Er musste ab sofort als eine Art Libero und elfter Feldspieler fungieren. Speziell älteren Torhütern fiel es schwer, ihr Spiel im fortgeschrittenen Alter noch einmal zu verändern oder zu entwickeln. Deshalb war es nicht verwunderlich, dass sich immer mehr junge Torhüter, die in diesen Fähigkeiten ausgebildet waren, bereits in jungen Jahren als Nummer eins in der Bundesliga durchsetzten.

Erfahrung gilt wieder

Inzwischen hat sich die Entwicklung hin zum Jugendkult wieder verändert. In der laufenden Saison 2020/21 beträgt das Durchschnittsalter der Stammtorhüter in der Bundesliga 28,8 Jahre. Der Grund: Die damals jungen Torhüter haben im Laufe der Jahre zu ihrem außerordentlichen Können durch Spielpraxis noch ein äußerst wertvolles und unersetzliches Qualitätsmerkmal hinzugewonnen, nämlich die Erfahrung. Diese Mischung aus sportlicher Klasse und Erfahrung macht es inzwischen nachkommenden Torwarttalenten schwer, sich als Stammtorhüter in ihren Vereinen durchzusetzen. Während früher die U21-Nationalmannschaft ein fast sicheres Sprungbrett auf dem Weg zur Nummer eins eines Bundesligateams war, sind die aktuellen U21-Nationaltorhüter (Schubert, Grill, Dahmen) nur die Nummer zwei oder drei in ihren Teams, ohne wirkliche Aussicht auf einen Einsatz oder sogar Stammplatz.

Die folgende Grafik verdeutlicht das Alter der Torhüter in der Bundesliga in der aktuellen Saison im Vergleich zur Saison 2011/12:

Während in der Saison 2011/12 die Hälfte aller BL-Stammtorhüter 25 Jahre oder jünger war, sind es aktuell nur noch zwei Torhüter: Der Schweizer Gregor Kobel vom VfB Stuttgart, der mit 22 Jahren die jüngste Nummer eins in der Eliteklasse des Fußballs ist, sowie mit 23 Jahren der ehemalige U21-Nationaltorhüter Florian Müller, der in Mainz ausgebildet und im Moment an den SC Freiburg ausgeliehen ist. Es folgen der Mainzer Robin Zentner (26) und der Kölner Timo Horn (27). Die meisten BL-Stammtorhüter sind zwischen 28 und 32 Jahren alt. Über dieser Altersgrenze liegen nur drei Torhüter, nämlich Andreas Luthe (Union Berlin) und Rafal Gikiewicz (FC Augsburg) mit 33 Jahren sowie Manuel Neuer (FC Bayern München) mit 34 Jahren. Der deutsche Nationaltorhüter ist damit aktuell der älteste Stammtorhüter zwischen den Pfosten eines Erstligisten.

Analyse

Artur Stopper

Artur Stopper

Mit über 25 Jahren Erfahrung als Torwarttrainer weiß Artur, wie Torhüter ticken. Deshalb bevorzugt er Themen, die die Welt der Torhüter ausmachen: Vereinswechsel, Tiefschläge, Pechsträhnen, Höhenflüge, Emotionen, Ersatzbank, Halbgötter, Erfolge.

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