Dass Argentinien bei der Weltmeisterschaft in Katar den Titel holen konnte, war sicherlich unter anderem ein Verdienst ihres Torhüters Emiliano Martinez. Im WM-Finale gegen die französische Nationalmannschaft avancierte er zum gefeierten Helden, als der Schlussmann der Albiceleste im Elfmeterschießen (4:2) den Elfmeter des Bayern-Profis Kingsley Coman parierte. Wenig später wurde er zum besten Torhüter des Turniers gekürt. Bereits im Laufe des Turniers machte er sich mit herausragenden und spielentscheidenden Paraden sowohl im Achtelfinale gegen Australien in der Nachspielzeit, im Elfmeterschießen gegen die Niederlande und natürlich mit seiner Fußabwehr im Finale gegen Frankreich einen Namen.
Für Markus Krauss, Torwarttrainer der U19 des VfB Stuttgart, war dies Grund genug, sich die Leistungen des argentinischen Weltmeisters im weiteren Saisonverlauf im Anschluss an die Winter-WM bei seinem Klub Aston Villa unter die Lupe zu nehmen und seine Stärken und Schwächen herauszuarbeiten.
Schon vorab kann man feststellen, dass Martinez den Schwung und die Euphorie, die er durch den WM-Titel entwickelt hatte, sehr gut in die Liga mitnehmen konnte. Sowohl gegen Leeds, Southampton als auch gegen Chelsea lieferte er herausragende Leistungen in allen Bereichen des Torwartspiels ab und war der entscheidende Mann, der das Spiel zu Gunsten von Aston Villa ausgehen ließ.
Seine Werte
Zunächst ein paar Zahlen, die seine Leistungsstärke zum Ausdruck bringen.
- In 17,5 Spielen (wurde im Spiel gegen den FC Brentford ausgewechselt) nach der WM kassierte er nur 17 Gegentore und blieb 8-mal ohne Gegentor
- Insgesamt fing er in diesem Zeitraum 29 Flanken ab, was einem Wert von 1,65 pro Spiel entspricht.
- Mit 15 Big Saves weist er einen auffällig hohen Wert auf.
Doch was macht sein Spiel - abseits der Zahlen – aus?
A) Torverteidigung
Martinez ist in der Torverteidigung sehr explosiv und sprunggewaltig.Dadurch schafft er es, sein Tor, insbesondere die Seiten und Winkel, sehr gut abzudecken. Es scheint, als ob er auch schwere Bälle nie aufgeben würde, da er sich seiner Spannweite (1,95 m Körpergröße + lange Arme), gepaart mit seiner Explosivität, bewusst ist. Außerdem weiß er die richtige/n Hand/Hände einzusetzen. Sprich: Er ist ein Meister des Übergreifens, aber auch sehr stark mit beiden Händen, um scharfe, nicht ganz so hohe Bälle abzuwehren. Zudem versucht er nach Möglichkeit die Bälle zu fangen.
Im 1vsTW tritt er dominant auf und setzt seine Größe und Masse effektiv ein. Manche erinnern sich wahrscheinlich noch an einige Szenen während der Weltmeisterschaft. Martinez macht im richtigen Moment Druck und ist in der Lage, vor allem auf seine linke Seite einen technisch sehr starken Block mit Armen und Beinen auszuführen.
B) Raumverteidigung
Auch in der Raumverteidigung weiß sich Martinez zu behaupten. In der sehr körperbetont spielenden Premier League fängt er beeindruckende 1,65 Flanken pro Spiel ab. Umso beeindruckender ist diese Leistung, wenn man weiß, dass Torhüter in Englands höchster Spielklasse nicht besonders geschützt sind und vor allem bei Ecken sehr stark attackiert werden. Mit seinem massigen Körper verschafft er sich aber Platz und nutzt mit Dynamik seine Reichweite und Explosivität aus, um auch hier seiner Mannschaft einen Vorteil zu verschaffen. Zudem trifft er häufig sehr gute Entscheidungen, wenn es darum geht, den Ball abzufangen oder ihn aus der Gefahrenzone zu fausten.
C) Spieleröffnung
Wer vermutet, dass Martinez zu den eher altmodischen Torhütern gehört, die Tor- und Raumverteidigung beherrschen, am Fuß jedoch ihre Schwierigkeiten haben, liegt damit komplett falsch. Seine Spieleröffnungen sind sinnvoll und sehr variabel. Die Spielverlagerung auf die Außenverteidiger, die er hervorragend spielt, ist seine bevorzugte Eröffnung. Aber auch den langen Schlag hinter die gegnerische Abwehrkette beherrscht er sehr gut, sowohl vom Boden als auch als Handabschlag. Damit noch nicht genug. Er besitzt und nutzt den Handabwurf sehr gezielt und eröffnet damit seinem Mitspieler die Möglichkeit, Dynamik zu entwickeln.
Martinez hat sich hervorragend an das variable Spiel unter dem neuen Trainer Unai Emery angepasst und versteht die an ihn gesetzten Erwartungen, was den Spielaufbau angeht, sinnvoll umzusetzen. Auch das aktive Mitspielen hat er vermehrt in den letzten Spielen eingesetzt und hilft seiner Mannschaft als „sweeper-keeper“. Mit Sweeper ist im englischen Fußball eigentlich die Position des Liberos gemeint, der als „Ausputzer“ hinter der Abwehr agiert, aber keine Aufgaben im Spielaufbau hat.Er wirkt dabei, wie auch bei allen Defensivaktionen, sehr selbstbewusst und vertraut auf sein Können und seine Stärken. Längere Schwächephasen sind in der aktuellen Phase nicht zu erkennen.
Zusammengefasst kann man sagen, dass Martinez, der im Sommer 2020 für 17,4 Millionen Euro Ablöse vom FC Arsenal zum Premier-League-Siebten Aston Villa gewechselt war, vermutlich demnächst - trotz Vertrag bis 2027 - zu einem noch größeren Verein wechseln wird. Wie der argentinische Pay-TV-Sportkanal TyC Sports berichtet, gilt ein (ligainterner) Transfer des amtierenden Welttorhüters zur Saison 2023/24 als sicher. Nach Medienberichten sollen der englische Spitzenklub Tottenham Hotspurs und der vielfache italienische Meister Juventus Turin bereits um die Dienste des argentinischen Weltmeisters werben. Emiliano Martinez hingegen scheinen die Lockrufe aus Nordlondon und Italien nicht großartig zu interessieren. „Wir lieben unsere Zeit hier und hoffentlich kommen noch viele Jahre", betont der Torhüter. Martinez spielt momentan auf dem Höhepunkt seiner Karriere und wird im Alter von 30 Jahren noch mindestens 4 sehr gute Jahre vor sich haben, wenn er gesund bleibt. Alle Voraussetzungen dafür bringt er absolut mit.