Bis Ende der Saison 23/24 war Kristian Barbuscak drei Jahre lang Torwarttrainer beim Bundesligisten FC Augsburg, zuvor arbeitete er sieben Jahre lang bei Jahn Regensburg in dieser Funktion. Seit Januar dieses Jahres steht er beim isländischen Erstligisten ÍBV Vestmannaeyjar unter Vertrag. Es ist nicht die erste Auslandserfahrung für den 42-Jährigen. Er sammelte bereits Eindrücke bei al-Wasl (Vereinigte Arabische Emirate), der Nationalmannschaft Kasachstans sowie in Tschechien bei Viktoria Zizkov und in Brünn.
Goalguard hat sich mit Kristian über seine Tätigkeit in Island unterhalten und dabei einiges über seine Arbeitsbedingungen, den Gegebenheiten und Herausforderungen an seiner neuen Arbeitsstelle erfahren.
Artur Stopper Kristian, nach sechs Jahren bei Jahn Regensburg und drei Jahren beim FC Augsburg arbeitest du seit Januar als Torwarttrainer in Island beim Erstligisten ÍBV Vestmannaeyjar. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Kristian Barbuscak Nach meiner aktiven Zeit beim FC Augsburg hatte ich mich darum bemüht, sofort eine neue Aufgabe zu finden, fand aber nichts Passendes für mich. Obwohl ich zunächst nicht glücklich war über diese Situation, musste ich im Nachhinein feststellen, dass mir die Auszeit nach 15 Jahren ununterbrochener Torwarttrainer-Tätigkeit richtig gutgetan hat, weil es wichtig war, mal wieder den Akku zu laden und sich selbst zu reflektieren. Nach dieser einjährigen Auszeit bemühte ich mich wiederum eine neue Aufgabe. Aber es ergaben sich nicht die Angebote, die ich mir gewünscht hätte. Durch Zufall fragte ein isländischer Cheftrainer, dem ich zu seiner neuen Tätigkeit gratuliert hatte, bei mir an, ob ich einen Torwarttrainer kennen würde, der daran interessiert wäre, in Island zu arbeiten. Weil er nicht glaubte, dass ein Ex-Torwarttrainer aus der Bundesliga für eine Aufgabe in Island bereit wäre, fragte er bei mir gar nicht an. Ich erkundigte mich bei ihm bezüglich der Möglichkeiten des Vereins, seinen Vorstellungen und seiner Denkweise als Trainer. Im Austausch mit ihm wurde schnell deutlich, dass er zwischen uns sehr viele Gemeinsamkeiten in der Vorstellung über Fußball gab. Deshalb entschloss ich mich, die Stelle selbst zu übernehmen. So landete ich in Island.
Artur Stopper Es ist nicht deine erste Auslandsstelle als Torwarttrainer. Du hattest vor deiner Arbeit in Deutschland bei Jahn Regensburg und dem FC Augsburg schon Auslandstationen bei al-Wasl (Vereinigte Arabische Emirate), der Nationalmannschaft Kasachstans sowie in Tschechien bei Viktoria Zizkov und in Brünn. Jeder Wechsel ins Ausland bedeutet ein neues Land, neue Sprache, neue Kultur und neuer Verein. Wie wichtig ist neben der fachlichen Kompetenz die Fähigkeit, sich in die Kultur und Eigenart eines Landes hineinfühlen zu können?
Kristian Barbuscak Nach meiner Meinung ist diese Fähigkeit sehr wichtig. Selbstverständlich ist die fachliche Kompetenz das A und O. Aber um bei der Arbeit effektiv zu sein und seine Vorstellungen vom Fußball und speziell dem Torwartspiel vermitteln zu können, sind die Sprache und das Einfühlungsvermögen in die Mentalität des Landes und somit der Spieler enorm wichtig. Auch die eigene Familie muss sich im Land wohlfühlen und als Ausländer muss man sich mit dem Verein identifizieren können. Ich selbst spreche kein isländisch, aber bei uns wird englisch gesprochen, so dass ich gut zurechtkomme.
Artur Stopper Welche speziellen Herausforderungen gibt es für dich bei deiner Arbeit in Island?
Kristian Barbuscak Dadurch, dass bei uns die ganze Liga auf Kunstrasen spielt, wird im Torwartspiel viel Wert auf die fußballerischen Fähigkeiten belegt. Natürlich ist für mich weiterhin das A und O eines Torhüters, die Bälle zu halten und das Tor und den Raum zu verteidigen. Aber die fußballerischen Elemente im Torwartspiel sind schon sehr wichtig. Deshalb sind Spieleröffnung, Spielfortsetzung und -verlagerung wichtige Elemente in meiner Trainingsarbeit.

Artur Stopper Mit welcher Liga in Deutschland ist nach deiner Meinung das Leistungsniveau in der ersten Liga Islands vergleichbar?
Kristian Barbuscak Die erste Liga in Island besteht aus 12 Mannschaften. Wenn ich die gesamte Liga in Deutschland einbinden wollte, würde ich eine Mischung aus zweiter und dritter Liga wählen. Nach meiner Meinung könnten die fünf besten Mannschaften Islands gut im Mittelfeld der zweiten Liga mitspielen.
Artur Stopper Wie professionell ist Islands Fußball? Sind die Spieler in der ersten Liga alle Vollprofis oder gehen viele noch einen Zweitberuf nach?
Kristian Barbuscak Das ist von Verein zu Verein unterschiedlich. Es gibt Vereine, die ausschließlich Profis in ihren Reihen haben. Vielen Vereine praktizieren aber auch das Semi-Profitum, d.h. sie haben Spieler, die noch nebenher arbeiten oder einem Beruf im Verein nachgehen. Natürlich sind auch viele Studenten in den Kadern. Es herrscht also in Islands erster Liga eine Mischung zwischen Profitum und Semi-Profitum.
Artur Stopper Das Klima beeinflusst in Island die Spielrunde. Die Sommer sind kühl, der Winter kann lang sein. Welchen Einfluss nehmen diese klimatischen Gegebenheiten auf den Spielplan?
Kristian Barbuscak Die Liga startet erst im April und endet im Oktober. Normalerweise gibt es in diesem Zeitraum keinen Grund für einen Spielausfall, wenn das Wetter nicht mitspielt. Alle Stadien haben einen Kunstrasen, der beheizt ist. Für Fälle, in denen der Platz unbespielbar ist, steht jedem Fußballverein der ersten Liga eine Halle zur Verfügung, die der Größe eines Fußballfeldes entspricht. Die Sporthallen sind auch mit Tribünen ausgestattet, so dass jedes Spiel auch kurzfristig in die Halle verlegt werden könnte.
Artur Stopper Stehen euch diese Hallen auch als Trainingsmöglichkeiten zur Verfügung, wenn im Winter die Fußballfelder in schlechtem Zustand oder sogar unbespielbar sind?
Kristian Barbuscak Wenn es z.B. draußen stark schneit oder Schnee liegt, findet das Training selbstverständlich in der Halle statt. Das schafft aber meist große Probleme bei der Hallenbelegung. Denn an einem solchen Tag findet vormittags das Training der Profis statt, während die Kinder in der Schule sind, ab ca. 14 Uhr ist aber die Hallenbelegung mit den Mannschaften von der U 10 bis zur U 19 durchgetaktet. Manchmal müssen sich auch zwei Mannschaften ein Feld teilen. Dieselbe Platzsituation kann man aber auch in Deutschland im Winter antreffen, wenn einem Verein nur ein Kunstrasen zur Verfügung steht. Auch dort müssen sich nach Feierabend oft mehrere Mannschaften einen Platz teilen.

Artur Stopper Insgesamt spielen wenig Ausländer in der isländischen Top-Liga. Auch in eurem Kader kommen nur sechs von 28 Spielern aus dem Ausland. Erleichtert das die Arbeit eines Trainers?
Kristian Barbuscak In Island gibt es grundsätzlich keine Regelung, wie viele Ausländer in einem Verein spielen dürfen. Es gibt nur die Vorgabe, dass zwei U 19 und zwei U 21-Spieler im Kader sein müssen, damit der Nachwuchs gefördert wird. Pro Mannschaft gibt es in der Regel zwischen fünf und acht Ausländer, der Rest sind Einheimische. Bei uns im Verein ist die Nummer eins ein Pole, außerdem haben wir einen Spieler aus Finnland und einen aus Schweden, zwei Jungs aus Serbien, einen aus Amerika und einen aus Spanien.
Artur Stopper Auslandsaufenthalte bereichern einen Menschen in der Regel auch persönlich. Kannst du schon sagen, was du aus deinem Aufenthalt in Island für deine persönliche Entwicklung mitnimmst?
Kristian Barbuscak Auslandserfahrungen bereichern einen definitiv und geben einem viel mit fürs weitere Leben. Island ist unglaublich schön. Auf der ganzen Insel leben ungefähr 300 000 Menschen, was in etwa der Einwohnerzahl von Augsburg entspricht. Die größte Stadt ist Reykjavik, in der fast die Hälfte der Einwohner lebt. Der Rest der Bevölkerung ist über verschiedene Orte verstreut. Man spürt bei den Isländern ihre Verbundenheit mit der Natur und die innere Ruhe mit sich selbst, hier gibt es noch Gemeinschaftswerte, bei gemeinschaftlichen Entscheidungen steht der Mensch im Mittelpunkt, nicht das Geld.
Kristian Barbuscak Mein Wohnort Vestmannaeyiar ist eine Inselgruppe an der Südküste Islands. Weil ich zuvor noch nie auf einer Insel gelebt habe, ist allein das eine neue und unglaubliche Erfahrung für mich. Jede Art von Reise beginnt mit einer Fähre. Wenn das Wetter zu extrem ist, dabei spreche ich von über neun Meter hohen Wellen, fährt die Fähre nicht oder muss einen langen Umweg nehmen. In diesem Fall kann man fliegen, wenn der Wind nicht zu stark ist, oder das Spiel wird verlegt. Auf Vestmannaeyiar bestimmt also weniger der Mensch den Tagesablauf, sondern das Wetter. Weil bei zu hohen Wellen und zu schlechten Wetterverhältnissen keine Fähren fahren, können manchmal gewohnte Ware nicht angeliefert werden. Damit muss man klarkommen. Trotzdem kann man hier sehr, sehr gut leben.
Kristian Barbuscak Unsere Insel ist etwa 4 km breit und 7 km lang. Wir haben hier einen kleinen Flugplatz, ein Fußballstadion und eine Fußballhalle. Neben Fußball ist die Insel für Handball und Fischfang bekannt. Zudem gibt es noch einige Vulkane, die aber im Moment nicht aktiv sind. Interessant ist, das Leben der Isländer zu beobachten. Die Menschen hier sind unglaublich freundlich und sehr offen. Zudem treiben sie sehr viel Sport. Es gibt unglaublich viele Fitnessstudios, die voll von Menschen sind. Von November bis März schläft die Insel ein bisschen, weil es schneereiche Winter gibt, die ich in dieser Form auch noch nicht erlebt habe. Ein Spektakel ist für mich auch der oft überraschende Wetterwechsel. In der Monaten Januar bis März erlebte ich Tage, an denen das Wetter innerhalb von 15 Minuten zwischen den Elementen Wind, Sonne, Regen und Schnee hin und herwechselte. Das alles sind sehr spannende und interessante Erfahrungen für mich. Ich erlebe also unglaublich interessante Eindrücke, die mein weiteres Leben bereichern werden.
Artur Stopper Wie lange läuft dein Vertrag in Island, und wie ist dein weiterer Karriereplan?
Kristian Barbuscak Ich habe für ein Jahr unterschrieben mit der Option auf Verlängerung. Wie es weitergeht, wird sich im Sommer entscheiden. Selbstverständlich sind meine Augen und Ohren offen für weitere interessante Schritte. Ich lasse alles auf mich zukommen und werde alle Möglichkeiten prüfen, die Hand und Fuß haben. Manchmal ist die Fußballwelt unheimlich klein. Als die Anfrage aus Island kam, habe ich mich ausführlich mit Alfred Finnbogason ausgetauscht, den ich aus meiner Augsburger Zeit sehr schätze und der ein sehr populärer Spieler in Island ist. Ich hatte das Gefühl, dass mir kein anderer sein Land und dessen Werte so nahebringen und er deshalb für meine Entscheidung der richtige Berater sein könnte. Er hat mir sehr geholfen und mich davon überzeugt, den Schritt nach Island zu wagen. Denn zur gleichen Zeit standen mir auch Optionen in Südafrika, Litauen, Kuwait, Iran, Saudi-Arabien oder den Philippinen zur Verfügung. Letztlich haben mich die Gespräche mit den Verantwortlichen in Island am meisten überzeugt, weil sie vertrauenserweckend wirkten. Sie haben sich z.B. an Uhrzeiten zu Gesprächen gehalten, während alle anderen Vereine vom Zeitmanagement her weniger zuverlässig waren. Ich hatte einfach mehr Vertrauen zu Vestmannaeyiar, und mein Eindruck hat sich bestätigt. Im Nachhinein betrachtet war es die richtige Entscheidung für mich.
Artur Stopper Kristian, es freut mich, dass du eine gute Entscheidung für dich getroffen hast und dich wohlfühlst in Island. Gleichzeitig wünsche ich dir einen weiteren guten Verlauf in deiner Torwarttrainer-Karriere.