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Die 3:0-Klatsche des FC Bayern München im Champions-League-Viertelfinale gegen Manchester City war deftig und in dieser Höhe nicht erwartet. Dass eine Niederlage in dieser Höhe große Enttäuschungen bei Verantwortlichen und Fans auslöst, kann niemand überraschen, zumal der FC Bayern mit großen Zielsetzungen in die Saison gestartet ist, die nun mehr und mehr bröckeln. Und wie meist braucht es in einer solchen Situation einen Sündenbock, jemand, der für alle Fehler und Probleme verantwortlich gemacht wird. Dass ausgerechnet Yann Sommer diese Rolle einnehmen muss, verwundert etwas angesichts der Fehler, die seine Vorderleute in großer Regelmäßigkeit produzieren. Einige „Experten“ und solche, die es sein wollen, haben sich auf Yann Sommer eingeschossen. Der Schweizer Nationaltorhüter steht massiv in der Kritik, weil dem Schlussmann beim 0:1 durch einen Distanzschuss von Rodri sowie beim Freistoßtor gegen die TSG Hoffenheim schlichtweg die entscheidende Körpergröße gefehlt habe, so deren Meinung.

Yann Sommer in der Kritik

Besonders Sky-Experte Dietmar Hamann tat sich mit deutlicher Kritik an Sommer hervor. „Für mich war der Torwart heute heillos überfordert", sagte Hamann bei Sky und ließ sich auch von guten Szenen Sommers nicht von seiner Meinung abbringen: "Die braucht ihr mir gar nicht zeigen, das ist mir wurscht. Dafür steht er im Tor, dafür wird er bezahlt, dass er die Bälle hält. Der Torwart hat nicht nur heute, sondern auch in den letzten Wochen maßgeblich die Mannschaft verunsichert", sagte der ehemalige Bayern-Spieler. Für Hamann war Sommer der Grund dafür, dass es in Manchester eine Niederlage hagelte. Vor der nachfolgenden Partie gegen Hoffenheim kritisierte auch die Bayern-Torwart-Legende Jean-Marie Pfaff Yann Sommer heftig. „Ich habe ihn gegen Manchester City nicht wiedererkannt“, sagte er gegenüber der TZ und dem Münchner Merkur. „Ich weiß nicht, hat er Schlaftabletten genommen?“ Bei dieser Aussage unter der Gürtellinie bliebe die Frage, welche Überdosierung an Schlafmittel der 64-fache belgische Nationaltorhüter in seinem ersten Spiel für die Bayern eingenommen hatte, als er das einzige Einwurf-Tor der Bundesliga-Geschichte produzierte. Bei all diesen Bewertungen bleibt gänzlich gänzlich die Tatsache auf der Strecke, dass Sommer mit einigen großartigen Paraden eine noch höhere Niederlage der Bayern verhindert hatte.

Sommer wurde als Top-Lösung gefeiert

Wie anders hatte doch noch die öffentliche Meinung bei Sommers Wechsel im Januar dieses Jahres ausgesehen. Alle waren sich einig, dass die Bayern als Vertreter für Manuel Neuer einen absoluten Top-Transfer gelandet hatten. Beidfüßig, auf der Linie überragend und mit großer Qualität am Fuß, mit gewissen Nachteilen in der Strafraumbeherrschung, lautete eine häufige Einschätzung des Schweizer Nationaltorhüters. Viele Jahre lang hatte der 34-jährige Schlussmann in der Bundesliga nachgewiesen, dass er einer der Besten seines Fachs ist. Und bei der EM 2020 hatte man Yann Sommer noch das Prädikat "Weltklasse" verliehen. An Beweisen für seine außergewöhnliche Klasse fehlt es also nicht. „Die Bayern haben einen klasse Keeper“, war sich selbst Lothar Matthäus bei der Verpflichtung des Schweizers sicher.

Für einige Kritiker scheinen Sommers langjährigen Top-Leistungen sowie ihre früheren Beurteilungen des Schweizers in Vergessenheit geraten zu sein. Gladbachs Sportdirektor Roland Virkus musste jedenfalls sein noch intaktes Erinnerungsvermögen für den in die Schusslinie geratenen Ex-Gladbach Schlussmanns bemühen: „Yann hat über Jahre hinweg eine hervorragende Leistung in Mönchengladbach gebracht. Er ist für mich einer der besten Torhüter Europas. Ich muss ganz ehrlich sagen: Wie man mit ihm umgeht, ist respektlos.“

Mag sein, dass Yann Sommer im Moment nicht auf dem Zenit seiner Leistungsfähigkeit performt und zuletzt ein paar Unsicherheiten zeigte. Aber die anhaltende Formschwäche des Bayern-Ensemble vor allem ihm anzulasten, ist fahrlässig und ungerecht. Ein Torwart ist nur ein Mosaikstein im Mannschaftsgefüge. Bildet die komplette Mannschaft keine Einheit, hat das in der Regel auch Folgen für den Schlussmann. Und eines ist sicher: Gegen Manchester war das Defensivverhalten des Bayern-Teams jedenfalls äußerst schlecht. Die mexikanische Torhüter-Legende Jorge Campos ordnete das Verhalten von Sommers Mitspieler und die Bewertung des Keepers gegenüber der Süddeutschen Zeitung richtig ein. „Haben Sie sich mal angeschaut, wer da alles nicht hingegangen ist? Wie Musiala nicht richtig hingeht, wie Kimmich sich wegdreht? Rodri hätte nie zum Schuss kommen dürfen! Aber es ist halt einfacher, sich über die Körpergröße vom Torwart zu unterhalten", äußerte sich der 129-fache ehemalige Nationaltorhüter Mexikos, der mit 1,76 m noch kleiner war als der Bayern-Keeper.

Unqualifizierte Aussagen hinterlassen Spuren

Angesprochen auf die Diskussion um Sommers Größe, stellte Didi Hamann im Nachhinein klar: „Sommer ist so klein, wie er auch vor zehn Jahren war. Dennoch ist er seit jeher ein hervorragender Torhüter.“ Der Ex-Profi macht es sich zu einfach. Aus seiner langjährigen Profi-Erfahrung müsste er gelernt haben, welche Auswirkungen eine schnelle, emotionale und unüberlegte Aussage in der heutigen Medienwelt hat und welchen Shitstorm sie nach sich zieht. Nicht erst seit dem Fall Robert Enke wissen wir, welche Spuren es hinterlassen kann, öffentlich an den Pranger gestellt zu werden, zumal wenn die Anschuldigungen unberechtigt sind. Ein gewisser Berufsethos hätte an dieser Stelle nicht geschadet. In Zeiten von Auflagenzahlen und Einschaltquoten ist aber wohl inzwischen die wichtigste Leitwährung in den Medien geworden, durch euphorische Äußerungen oder abwertende Parolen die Gefühlswelt und die niederen Instinkte der Leser oder Zuschauer anzusprechen, sonst würden die Hamanns, Baslers, Matthäus oder Pfaffs nicht diese große Aufmerksamkeit in der Medienwelt und Öffentlichkeit bekommen.

Noch ein abschließender Gedanke. Auch die Diskussion, ob Manuel Neuer diese Bälle gehalten hätte, ist müßig. Gladbachs ehemaliger Schweizer Torhüter Jörg Stiel brachte es auf den Punkt: „Die lächerlichste Frage ist in dem Zusammenhang, ob Manuel Neuer solche Bälle gehalten hätte. Einen solchen Schwachsinn habe ich noch nie gehört. Da werden Äpfel mit Birnen verglichen. Der Konjunktiv schießt weder Tore, noch hält er Bälle. Alle Beteiligten würden sich einen Gefallen damit tun, sich ein wenig zurückzuhalten.“ Mag sein, dass ein größerer Torhüter wie Neuer in dieser Abwehraktion Vorteile gehabt hätte. Aber neben der Größe entscheiden vor allem die Position des Keepers, die frühzeitige Wahrnehmung des Balles und der explosive Abdruck darüber, ob der Ball erreicht wird oder nicht. Die Klärung eines Balles aus dem oberen Torwinkel ist also keine ausschließliche Frage der Größe, sondern eine Frage des Zusammenspiels dieser Faktoren. Ob Neuer diese Spielszene besser bewältigt hätte, ist hypothetisch, zumal auch Neuer zuletzt einige Kritik zu seinen Torwartleistungen einstecken musste. Insofern kann man diese scheinbare Gewissheit ad acta legen. Zudem ist es ungerecht, den Vergleich zwischen Sommer und Neuer nur auf die Körpergröße zu reduzieren, denn sein Größendefizit gleich Sommer seit Jahren durch enorme Sprungkraft und perfekte Beinarbeit aus.

Es sind keine einfachen Tage für Yann Sommer. Jahrelang wurde er für seine guten Leistungen in Mönchengladbach mit Lob überschüttet. Nun sieht er sich nach langer Zeit erstmals mit der Situation konfrontiert, massiver Kritik ausgesetzt zu sein. Entscheidend wird für ihn sein, ob er seine frühere Selbstsicherheit und Selbstverständlichkeit in den Abläufen wieder zurückerlangt. Die Verantwortlichen bei Bayern und vor allem Torwarttrainer Mchael Rechner müssen ihn dabei unterstützen. Dann wird Yann Sommer wieder das sein, was er vor seiner Bayern-Zeit war: Ein Top-Torhüter mit internationaler Klasse!

Blickpunkt 1. BundesligaFC Bayern MünchenYann Sommer

Artur Stopper

Artur Stopper

Mit über 25 Jahren Erfahrung als Torwarttrainer weiß Artur, wie Torhüter ticken. Deshalb bevorzugt er Themen, die die Welt der Torhüter ausmachen: Vereinswechsel, Tiefschläge, Pechsträhnen, Höhenflüge, Emotionen, Ersatzbank, Halbgötter, Erfolge.

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