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Es kommt in Bundesligastadien nicht oft vor, dass sich die Anhänger beider Mannschaften einem Fußballer auf dem Rasen gleichzeitig ihre Sympathien zukommen lassen. Im Fall von Yann Sommer ist genau dies vor der Partie Borussia Mönchengladbach gegen den FC Bayern München passiert. Der 34-jährige Schweizer Nationaltorhüter, der 8 ½ Jahre lang mit großem Erfolg das Tor der Borussia hütete und erst Ende Januar als Ersatz für den langzeitverletzten Nationaltorhüter Manuel Neuer vom Mittelrhein an die Isar gewechselt war, wurde bei seiner ersten Rückkehr als Bayern-Torwart von den Gladbacher Verantwortlichen rückwirkend verabschiedet, weil dazu in der hektischen Transferperiode im Januar keine Zeit war.

Mit viel Applaus und auch Sprechchören bedacht

Normalerweise verzeihen die Fans einem Spieler einen solchen Wechsel nicht, zumal während der laufenden Saison. Schnell macht in solchen Fällen bei den Fans auf der Tribüne der Begriff „Verräter“ die Runde, begleitet von einem gellenden Pfeifkonzert. Im Fall von Yann Sommer war dies aber ganz anders. Gladbachs Sportdirektor Roland Virkus war sich schon vor dem Spiel sicher, dass die Gladbacher-Anhänger hinter dieser offiziellen Verabschiedung stehen: "Ich weiß, dass auch unsere Fans sich das wünschen. Ich glaube, dass Yann hier sehr freundlich empfangen wird." Er hatte sich in seiner Einschätzung nicht getäuscht. Die Gladbacher Fans bereiteten Yann Sommer bei seiner Rückkehr in den Borussia-Park am Samstag einen warmen und herzlichen Empfang. Mit viel Applaus begrüßten sie den Schweizer. Pfiffe oder Unmutsbekundungen waren nicht mal im Ansatz zu vernehmen. „Ich habe mich riesig darüber gefreut, wie ich heute hier empfangen worden bin“, sagte Sommer nach dem Spiel. „Das ist nicht selbstverständlich und ich bin sehr dankbar dafür.“

In der Nordkurve wurde ein großes Banner mit der Aufschrift “8 ½ Jahre große Leistungen statt großer Worte. Danke Yann” aufgehängt. Vize-Präsident Rainer Bonhof und Sportdirektor Roland Virkus verabschiedeten Sommer vor dem Anpfiff nochmals offiziell und überreichten ihm ein Bild mit Fotos aus seiner Gladbacher Zeit. Einen so warmherzigeren Empfang kann sich ein Spieler, der den Verein verlassen hat, normalerweise kaum vorstellen. Auch im Netz zeigten sich die Fohlenelf-Fans von ihrer besten Seite. Trotz mancher Bekundungen, dass der Abschied für sie schwer zu verkraften war, gab es viele Dankschreiben und Glückwünsche an den neuen Bayern-Schlussmann.

Yann Sommer hat sich das Wohlwollen erarbeitet

Es bleibt die Frage, warum sich das Verhalten der Gladbacher so wohltuend von Verabschiedungen anderer Fußballprofis unterschieden hat. Auf der Suche nach Gründen landet man unweigerlich bei der Person und dem Charakter Yann Sommers. Zunächst bleibt festzuhalten, dass Yann Sommer achteinhalb Jahre den Borussen die Treue gehalten hat, trotz mehrfachen Interesses anderer Klubs. Achteinhalb Jahre sind kein Pappenstiel, schon gar nicht im heutigen Fußballgeschäft. Diese Beständigkeit haben ihm die Fans offensichtlich hoch angerechnet. Dass er im Herbst seiner Karriere noch einmal eine neue Herausforderung suchen wollte, konnten viele Anhänger nachvollziehen, zumal der Schweizer bereits in der Sommerpause aus diesem Grund mit Abwanderungsgedanken in die englische Premier League spielte und dieses Interesse beim Verein hinterlegt hatte.

Nicht unwesentlich trug sicherlich auch Yann Sommers Auftreten während der tagelangen Hängepartie bis zu seinem Wechsel zu den Bayern bei. Sportdirektor Roland Virkus lobte den Schweizer Nationaltorhüter für dessen Verhalten während dieser Phase. Während manch andere Berufskollegen in der Vergangenheit ihren Wechsel mit der Verweigerung der Trainingsteilnahme oder Krankschreibung zu beschleunigen versuchten und damit den Verein unter Druck setzten, hat sich Yann Sommer nach Aussagen der Sportdirektors „in dieser Zeit perfekt verhalten und keinen Stunk gemacht hat“. Er habe total professionell trainiert. Und fügte an: „Das zeigt, was für ein Mensch der Yann ist.“ Dass er die Challenge Bayern München annehmen wollte, sei menschlich, kommentierte Virkus. Diese Einschätzung teilten wohl auch die Borussen-Fans.

Noch ein letzter Aspekt dürfte bei der wohlwollenden Beurteilung des Schweizers eine Rolle gespielt haben. Mit einem kategorischen Nein hatten die Gladbacher Verantwortlichen zunächst die ersten Abwerbeversuche der Bayern entschieden zurückgewiesen. „Wir werden Yann Sommer nicht abgeben. Das haben wir den Bayern auch so mitgeteilt", äußerte Sportdirektor Roland Virkus. Immer wieder ließen aber Medienberichte durchblicken, dass Gladbach unter gewissen Umständen doch noch zustimmen könnte. Gladbach würde eventuell bei einem Angebot der Kategorie "unmoralisch" schwach werden. Dieser Punkt war wohl erreicht, als die Bayern die Ablösesumme auf 8 Millionen plus möglicher Boni von 1,5 Millionen Euro beim Gewinn der Champions League erhöhte. Für einen 34-jährigen Keeper, der ansonsten möglicherweise den Verein im Sommer ablösefrei verlassen hätte, eine stolze Summe, die eine Menge Geld in die Gladbacher Kasse spülte und ausreichend viel Geld einbrachte, um Sommers Landsmann Jonas Omlin sofort als dessen Nachfolger zu verpflichten. Daher scheint es im Grunde eigentlich nur Gewinner in der Sommer-Saga zu geben.

In Gladbach wird Yann Sommer wohl eher als jener Torwart in Erinnerung bleiben, der für die Borussia achteinhalb Jahre lang in 335 Spielen hervorragend hielt, und weniger als einer, der seine Mannschaft mitten in der Saison verließ. Denn eigentlich gab es beim Transfer in der öffentlichen Wahrnehmung nur Gewinner: Der Verein bekam die wohl größtmögliche Ablösesumme für einen 34-Jährigen, dessen Vertrag im Sommer ausgelaufen wäre. Und Yann Sommer konnte sich seinen größten Transferwunsch erfüllen und bei den Bayern eine attraktive Chance annehmen, sich noch einmal im internationalen Spitzenfußball zu zeigen und einen Titel von Format einzufahren.

Die Causa Yann Sommer zeigt zudem, dass die Fans für Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit im Umgang mit dem Verein und den Anhängern offensichtlich ein feines Gespür haben und durchaus für einen Vereinswechsel Verständnis zeigen, der mit Rücksicht auf die Interessen des Vereins durchführt wird. Einen Verlust konnten die Gladbacher Verantwortlichen hingegen trotz des vielen Geldes nicht ausgleichen. Mit Yann Sommer verlieren die „Fohlen“ einen absoluten Sympathieträger, der nicht nur auf dem Platz seit Jahren mit überragenden Leistungen aufwartete, sondern auch neben dem Platz mit seiner überaus freundlichen und offenen Art die Herzen der Fans eroberte.

Blickpunkt 1. BundesligaYann SommerFC Bayern MünchenBorussia Mönchengladbach

Artur Stopper

Artur Stopper

Mit über 25 Jahren Erfahrung als Torwarttrainer weiß Artur, wie Torhüter ticken. Deshalb bevorzugt er Themen, die die Welt der Torhüter ausmachen: Vereinswechsel, Tiefschläge, Pechsträhnen, Höhenflüge, Emotionen, Ersatzbank, Halbgötter, Erfolge.

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