Seit sich der deutsche Meister Bayern München Ende Januar vom langjährigen Torwarttrainer und Neuer-Intimus Toni Tapalovic trennte, wurde in den Medien über dessen Nachfolger spekuliert. Nun ist er gefunden. Michael Rechner, der seit 2008 für den Ligakonkurrenten TSG Hoffenheim tätig war, tritt ab sofort die Nachfolge von Toni Tapalovic als Torwarttrainer bei den Bayern an. Die Münchener bekamen damit ihre Wunschlösung. Laut „kicker“ muss der FCB aber für Michael Rechner eine „mittlere sechsstellige“ Ablösesumme an die Kraichgauer überweisen, da dieser bei der TSG noch einen Vertrag bis 2026 unterschrieben hatte.
Nagelsmann holt ehemaligen Weggefährten nach München
Eine entscheidende Rolle bei der Verpflichtung spielte sicherlich Bayern-Cheftrainer Julian Nagelsmann, der den 42-jährigen Torwart-Experten aus der gemeinsamen Zeit bei den Kraichgauer bestens kennt. Einige Jahre arbeiteten sie eng zusammen, immerhin saßen sie bei 136 Bundesligaspielen zusammen auf der Bank. Der 42-jährige Rechner war bei der TSG seit 2008 als „Koordinator Torwartspiel“ für den gesamten Torwartbereich verantwortlich. Von 2015 an leitete er das Training der Torhüter des Profiteams. Julian Nagelsmann kennt die Qualitäten Rechners aus der gemeinsamen Zeit in Hoffenheim also bestens.
Der in Mosbach geborene UEFA-A-Lizenz-Inhaber begleitete in Hoffenheim inzwischen gestandene Schlussmänner wie Koen Casteels (VfL Wolfsburg), Gregor Kobel (Borussia Dortmund), Marvin Schwäbe (1. FC Köln) und die aktuelle Nummer eins in Hoffenheim, Oliver Baumann, teils über Jahre. Auch wenn er an der Entwicklung der Torhüter nicht allein beteiligt war, einen großen Anteil daran hat er ohne Zweifel.
Was zeichnet eigentlich die Arbeit von Michael Rechner aus?
Da ich selbst über Jahre viele Trainingseinheiten des 42-Jährigen beobachten konnte und auf eine eigene langjährige Torwarttrainer-Erfahrung im professionellen Bereich zurückgreifen kann, erlaube ich mir ein fundiertes Urteil über seine Arbeit. Ohne Frage gehört Michael Rechner zu den besten Torwarttrainern in Deutschland. Warum? Liest man die Kommentare langjähriger Weggenossen in Hoffenheim zu seinem Abschied, kommen typische Elemente seiner Arbeitsweise zum Ausdruck. So meinte Oliver Baumann zum Abschied seines langjährigen Torwarttrainers: „Ich danke Michael für acht außergewöhnliche Jahre. Er hat es verstanden, mich an nahezu jedem Tag unserer Zusammenarbeit zu überraschen."
Um jemanden jeden Tag zu überraschen und etwas Neues auszudenken, braucht es Kreativität. Rechner hat es verstanden, nie Eintönigkeit in seiner Arbeit aufkommen zu lassen, sondern mit Ideenreichtum und Offenheit für innovative Arbeitsweisen sein Training ständig weiterzuentwickeln. Seit Jahren gehören bei ihm z.B. kognitive Elemente zum Trainingsalltag. Auch TSG-Manager Alexander Rosen ist diese Arbeitsweise nicht entgangen: „Michael formte Generationen von Torhütern durch seine Arbeit in U19, U23 und der Profi-Mannschaft. Seine Fachkompetenz, seine Kreativität und seine Hingabe machten ihn zu einem der renommiertesten Experten auf seinem Gebiet. Er ist ein Bessermacher." Neben der zweifellos vorhandenen Fachkompetenz betont auch Rosen Rechners Kreativität und nennt zudem die Hingabe als weiteres Merkmal seiner Arbeit. In seinen Trainingseinheiten konnte man selbst als Außensehender spüren, dass der Trainingsalltag für ihn nicht nur das Abspulen von Routinen war, sondern stets mit dem Ziel verbunden, jeden Torhüter jeden Tag besser zu machen. Dabei beschränkte sich diese Hingabe nicht nur auf Stammtorhüter Oliver Baumann, sondern dieselbe Hingabe konnte man auch gegenüber den anderen Keepern in der Trainingsgruppe spüren.
Die fachliche Weiterentwicklung stand stets auf dem Plan des TW-Trainers. Der Austausch mit Trainerkollegen oder mit dem Sportinstitut der Universität Heidelberg gehörten zum festen Bestandteil seiner Arbeit. Anregungen aus verschiedenen Fachbereichen oder anderen Sportarten saugte er auf, um sich selbst und damit auch seine Torhüter auf eine nächsthöhere Stufe zu hieven. Auch auf Borussia Dortmunds Stammtorhüter Gregor Kobel, der von Rechner im Alter von 16 Jahren aus Zürich nach Hoffenheim gelotst worden war, hat sein ehemaliger Trainer einen bleibenden Eindruck hinterlassen: „Als Torwart-Trainer ist er einer der Besten in Deutschland und hat großen Anteil daran, dass ich es bis zu einem der größten Bundesliga-Klubs geschafft habe", äußerte der BVB-Keeper gegenüber der Sport Bild.
Abseits der im Netz üblichen, dümmlichen und unreflektierten Aussagen wie „Vetternwirtschaft“, der Frage nach der Anzahl von Bundesligaspielen sowie den emotionalen Aussagen Neuer zum Abschied seines Freundes Toni Tapalovic lohnt sich ein sachkundiger Blick auf den neuen Torwarttrainer der Bayern. Unter allen Fachleuten, die sich intensiv mit moderner Trainingsarbeit im Torwarttraining beschäftigen, genießt Michael Rechner einen exzellenten Ruf. Genau deshalb hat ihn Julian Nagelsmann nach München manövriert. Die fachliche Einschätzung, wer die hoch bezahlten Spieler am besten weiterentwickeln kann, muss für die Verantwortlichen im Vordergrund stehen gegenüber der Bewahrung von Erbhöfen. Bayern München und das gesamte Torwartteam können sich jedenfalls auf einen überaus kompetenten neuen Mitarbeiter freuen.