Die Blamage ist perfekt. Der deutsche Meister FC Bayern München ist im DFB-Pokal sensationell an Drittligist 1. FC Saarbrücken gescheitert. Marcel Gaus warf am Mittwochabend mit seinem Last-Minute-Tor zum 2:1 die erfolgsgewohnten Bayern aus dem Rennen. Damit schieden die Münchener bereits zum dritten Mal in den letzten vier Jahren in der zweiten Runde aus. Der DFB-Pokal hat schon viele legendäre Geschichten zum Thema Klein schlägt Groß hinterlassen, im Ludwigspark-Stadion wurde ein weiteres legendäres Kapitel geschrieben. Es ist eine Faszination dieses Sports, dass immer wieder Sensationen an der Geschichte des Fußballs mitschreiben, gerade im DFB-Pokal.
FCS-Keeper Tim Schreiber im Mittelpunkt
Ein Held des Fußball-Wunders und „Man of the Match“ hat einen Namen: Tim Schreiber. Vor allem der junge, 21-jährigen Keeper im Kasten der Saarländer verhinderte mit einer bärenstarken Leistung in der zweiten Halbzeit den Erfolg des deutschen Meisters zu einem Zeitpunkt, als es nur noch eine Frage der Zeit schien, bis die Saarländer, deren Kräfte langsam zur Neige gingen, der Überlegenheit der Münchener ihren Tribut zollen mussten. Immer wieder setzte Schreiber den Münchener Bemühungen ein Ende. Ein paar Beispiele gefällig?
- 50. Minute: Schreiber wehrt einen satten Schuss Sanes aus 20 m zur Seite ab.
- 59. Minute: Der Münchener Flügelstürmer scheitert nach einem Steckpass von Choupo-Moting aus spitzem Winkel an Schreiber.
- 75. Minute: Coman zieht mit links ab. Schreiber liegt quer in der Luft und lenkt den Schuss sehenswert mit einer Hand über die Latte.
- 83. Minute: Coman schießt aus 14 m von rechts. Schreiber reißt die Arme hoch und blockt den Schuss.
- 90. Minute: Nach einem Pass von Gnabry von außen in den Strafraum wirft sich Schreiber mutig zusammen mit Mitspieler Gaus vor Müller und blocken so gemeinschaftlich den Schuss.
Zurecht jubelte Saarbrückens überragender Torhüter nach der Partie am Sportschau-Mikrofon: "Ich kann's nicht glauben, das ist Wahnsinn! Hätte das einer am Auslosungstag gedacht, hätte jeder gesagt, wir sind bekloppt. Das ist geil, einfach geil." Der 21-jährige Torhüter machte das Spiel seines noch jungen Lebens, brachte Leroy Sané, Kingsley Coman und Co. an den Rand des Wahnsinns und verließ die Stätte seines größten Triumphes mit dem Trikot seines Vorbildes Manuel Neuer.
Von RB Leipzig ausgeliehen
Der 21-jährige Schlussmann gehört erst seit dieser Saison als Leihspieler von RB Leipzig dem Kader des Drittligisten 1. FC Saarbrücken an und absolvierte erst seinen dritten Einsatz für die Saarländer. Als Zwölfjähriger war er von Borea Dresden zu RB Leipzig gewechselt und durchlief dort sämtliche Jugendmannschaften. Seinen ersten Profivertrag unterschrieb er 2020 und gehörte ab der Saison 2020/21 neben Péter Gulácsi, Philipp Tschauner und Josep Martínez dem Torwart-Quartett der Bundesliga-Mannschaft an. Um mehr Spielpraxis zu erhalten, wurde er im Februar 2021 an den Drittligisten Hallescher FC ausgeliehen. Dort gab es wegen seiner RB-Vergangenheit zunächst scharfe Proteste der Fanszene. Trotzdem feierte er am 37. Spieltag sein Profidebüt für den HFC gegen Wehen Wiesbaden und avancierte in der Folgesaison sogar zum Stammkeeper. 25 Spiele absolvierte er in den eineinhalb Jahren für die Hallenser. Am Ende der Saison verließ er aber den Drittligisten. In der darauffolgenden Saison 2022/23 wurde der 17-malige U-Nationaltorhüter erneut ausgeliehen, dieses Mal an den Zweitligisten Holstein Kiel, um den abgewanderten Ioannis Gelios zu ersetzen. An der Förde sollte Schreiber den nächsten Schritt machen. Das zunächst auf zwei Jahre anberaumte Leihgeschäft wurde jedoch vorzeitig beendet, da Schreiber beinahe die komplette Rückserie mit einer Knieverletzung verpasste. Zehn Einsätze standen am Saisonende zu Buche.
Dass sein Stammverein RB Leipzig weiterhin von einer erfolgreichen Zukunft des Torwart-Talents überzeugt ist, zeigt die vorzeitige Vertragsverlängerung mit dem Keeper bis 2025. Der 21-Jährige gilt als eines der größten Torwart-Talente in Deutschland. Mit seiner Leistung gegen die Bayern hat er sich in die Wahrnehmung einer großen Öffentlichkeit gespielt. Aber weitere großartige Leistungen werden folgen müssen, um einmal den Sprung in Deutschlands Eliteklasse zu schaffen. Der Anfang ist getan. Vielleicht wächst mit ihm ein Kandidat heran, der die Generation Neuer, ter Stegen und Co. einmal beerben könnte. Der Weg dahin ist aber zweifellos noch weit.