Die Sechs-Sekunden-Regel wurde bereits im Jahr 2000 eingeführt und bei der WM 2002 erstmals bei einem Weltturnier angewendet. Sie war als Maßnahme gegen Zeitspiel gedacht und schreibt vor, dass die Torhüterinnen und Torhüter den Ball nicht länger als sechs Sekunden am Stück in der Hand halten dürfen. Sie ersetzte die bis dahin übliche die 4-Schritte Regel, die besagte, dass der Torhüter nach vier Schritten den Ball ins Spiel bringen musste.
Die Regel führt aber seit Jahren immer wieder zu Diskussionen und Pfiffen von Seiten der Fans, weil sie nur in den seltensten Fällen konsequent durchgesetzt wird. Der Pay-TV-Sender Sky maß bereits in der Saison 2015/16 am 14. Spieltag, wie lange die 18 Bundesliga-Keeper den Ball mit der Hand kontrollierten. Das Ergebnis zeigt eine massive Diskrepanz zwischen dem Wortlaut und der Auslegung der Regel. Insgesamt wurden 121 Aktionen gemessen, wobei in knapp 50 Prozent aller Fälle die sechs Sekunden überschritten wurden und es einen indirekten Freistoß hätte geben müssen. Allein an diesem Spieltag wären beinahe 60 indirekte Freistöße innerhalb des Strafraums die Folge gewesen. In Wirklichkeit wurde aber nicht ein einziger gepfiffen. Man sieht, die Regel fand in der Realität so gut wie keine Anwendung! Der Grund dafür ist nachvollziehbar. Denn gemessen am Vergehen hatte der Pfiff des Schiedsrichters eine recht drakonische Sanktion zur Folge: Die Spielfortsetzung bei einem Verstoß gegen die Sechs-Sekunden-Regel wäre ein indirekter Freistoß im Strafraum für die andere Mannschaft gewesen. Es ging also auch um die fehlende Verhältnismäßigkeit, weshalb sich die Spielleiter kaum trauten, die Regel umzusetzen. Denn die Sanktionierung hätte immer eine gute Torchance für den Gegner zur Folge gehabt. Deshalb verzichteten die Schiedsrichter zumeist darauf und wendeten die Regel so gut wie nie an.
Angedachte Lösungen
Es ist im Sport nicht anders als in der Gesellschaft. Regeln, die nicht kontrolliert werden und bei deren Nichteinhaltung keine Strafe erfolgt, werden nicht eingehalten. Das gilt auch für Torhüter. Da sie wissen, dass in der Regel kein Pfiff des Schiedsrichters erfolgt, nutzen diesen Graubereich zum Zeitschinden aus. Besonders in der Endphase eines Spiels werden oft alle Register gezogen, um Zeit zu schinden. Um der Spielverzögerung Einhalt zu gebieten, wurde bereits seit einiger Zeit bei der IFAB (International Football Association Board) über eine Modifizierung der Regel diskutiert. Drei Kernpunkte standen dabei im Fokus:
- • Der indirekte Freistoß im Strafraum sollte als Folge des Zeitspiels wegfallen. Als Alternative wurde der Wechsel des Ballbesitzes über einen Eckball oder einen Einwurf angedacht.
- • Auch wurde darüber nachgedacht, die Torhüterinnen und Torhüter acht statt bislang sechs Sekunden den Ball in der Hand halten zu lassen.
- Im Gespräch war zudem, dass der Unparteiische für alle sichtbar - ähnlich wie beim Futsal - die letzten fünf Sekunden mit den Fingern herunterzählen sollte, als klarer Hinweis gegen das Zeitspiel.
Vorsicht, Torhüter!
Keine der angedachten Lösungen wurde letztlich umgesetzt. Einigkeit herrschte aber darüber, dass eine Anpassung stattfinden musste. Warum das so ist, machte Knut Kircher, der neue Leiter der Schiedsrichter, bei einer Medienschulung im DFB-Campus in Frankfurt deutlich: „Wir wollen eine schnelle Spielfortsetzung haben. Deshalb schauen wir auch darauf, dass der Torhüter den Ball nicht zu lange in den Händen hält.“ Es wird also künftig wieder vermehrt darauf geachtet werden, wie lange ein Keeper den Ball hält. Die 'Sechs Sekunden'-Regel ist dabei aber eher ein Richtwert als eine konkrete Regel. Denn der Schiedsrichter soll nicht mit der „Stoppuhr bewaffnet“ die Sekunden zählen, bittet der neue Schiedsrichter-Chef um Verständnis: „Es bringt nichts, wenn man nur darauf wartet, dass die sechs Sekunden überschritten werden. Das wäre der falsche Ansatz.“ Stattdessen sollten die sechs Sekunden „nur ein Anhaltswert“ in der Regel sein, es gebe weiterhin einen Toleranzbereich.
Klar ist allerdings, dass die Torhüter in punkto Spielverzögerung wieder mehr in den Fokus rücken. Denn Zeitspiel ist eines der größten Ärgernisse bei dem Bestreben, mehr Nettospielzeit zu erreichen, und erregt die Gemüter der Zuschauer in besonderem Maße. Deshalb sind die Schiedsrichter angewiesen, genauer darauf zu achten, wenn der Torhüter kein Interesse an einer schnellen Spielfortsetzung hat. Eine Gelbe Karte für das Zeitspiel mit dem Ball in der Hand könnte die Folge sein. Bei aller gebotenen Toleranz liegt es an den Schiedsrichtern, die entsprechende Konsequenz an den Tag zu legen. Dem Spiel kann das nun guttun.