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Die Meldung hatte schon etwas Überraschendes, als Zweitligist Schalke 04 mit Loris Karius einen überaus erfahrenen Zugang auf der Position zwischen den Pfosten vermeldete. Bis zum vergangenen Sommer stand der 31-jährige Schlussmann noch bei Newcastle United in der Premier League unter Vertrag. Nach einem halben Jahr Arbeitslosigkeit hat er nun bei den Königsblauen einen Vertrag bis zum Saisonende unterschrieben.

Der ehemalige deutsche Jugend-Nationaltorhüter ist im europäischen Spitzenfußball kein Unbekannter und hat in seiner Vita einiges vorzuweisen. Insgesamt 200 Pflichtspiele absolvierte er in den vergangenen Jahren für verschiedene Vereine. Ausgebildet in der Jugend des VfB Stuttgart und von Manchester City feierte er sein Profi-Debüt im Dezember 2012 für Mainz 05 in der Bundesliga. Mit guten Leistungen erregte er die Aufmerksamkeit größerer Klubs. 2016 lockten die Verantwortlichen des FC Liverpool den talentierten jungen Keeper an die Anfield Road. Ein Karrieresprung wie im Bilderbuch begann für ihn. Er wurde bei den Reds mit einem langfristigen Vertrag bis 2022 ausgestattet, sein sportlicher Aufstieg schien gesichert. Seinen sportlichen Höhepunkt erreichte er 2018, als er mit den Reds im UEFA-Champions-League-Finale gegen Real Madrid stand, nachdem er schon auf dem Weg dahin in allen Begegnungen des Wettbewerbs das Tor der Reds hütete. Auf dem Gipfel mit dem Finale gegen die Königlichen begann aber zugleich sein sportlicher Abstieg.

Vom Höhepunkt zum Alptraum

Nachdem Karius bis zum Finale in sechs Spielen als einziger Torhüter ohne Gegentor geblieben war, patzte er ausgerechnet im Finale gegen Real Madrid. Seine zwei Torwartfehler waren mitentscheidend für die 1:3-Niederlage Liverpools. Inwiefern eine Verletzung der Auslöser für seine Fehlgriffe war, ist bis heute umstritten. Medizinische Untersuchungen nach dem Spiel ergaben, dass Karius unmittelbar vor dem ersten Gegentor nach einem Kontakt mit dem Ellenbogen von Real-Rammbock Sergio Ramos eine Gehirnerschütterung erlitt, die eine visuelle räumliche Dysfunktion zur Folge hatte. Sein Leistungsvermögen war also zweifellos beeinträchtigt.

Statt der Ersteigung des sportlichen Olymps war das Champions-League-Finale für ihn zum Alptraum geworden. Im Moment des Schlusspfiffes sackte Karius in seinem Strafraum zusammen und war am Boden zerstört. Seine Mitspieler waren kurz nach dem Abpfiff zu sehr mit ihrem Frust beschäftigt, um ihn zu trösten. Kein Mannschaftskollege bemühte sich zum jungen Deutschen, der auf dem Rasen minutenlang einsam in seine tätowierten Arme weinte. Die Real-Profis Nacho und Gareth Bale waren schließlich die Ersten, die Karius in den Arm nahmen. Größe zeigten hingegen trotz der Enttäuschung die Fans der Reds mit einer großen Geste. Als sich Loris Karius nach der Partie unter Tränen bei den Fans entschuldigte, donnerten diesen aufmunternden Beifall von der Tribüne und stimmten trotzig „You’ll never walk alone“ an. Trainer Jürgen Klopp ordnete die Gefühle seines Schlussmanns richtig ein: „Das wünscht man seinem schlimmsten Feind nicht."

Die Tränen von Loris Karius waren nach der schlimmsten Nacht seines Fußballer-Lebens getrocknet, begannen bereits die Diskussionen um seine Zukunft beim FC Liverpool. Reds-Legende Stefan Gerrard prophezeite dem deutschen Keeper bereits nach dem Spiel: „Er wird einen schweren Sommer haben.“ Seine Einschätzung sollte sich als richtig erweisen. Auch der frühere Welttorhüter Oliver Kahn äußerte als ZDF-Experte seine Befürchtungen: „Das kann die Karriere eines Torhüters zerstören." In den sozialen Medien musste sich der Keeper einiges anhören. Neben der üblichen Häme hatten aber auch vielen Nutzer Mitleid mit dem unglücklichen Schlussmann.

Die Abwärtsspirale beginnt

Seine fatalen Fehler im Champions-League-Finale wurden zum Wendepunkt in einer vielversprechenden Karriere. Fortan ging es mit Loris Karius steil bergab. Nachdem die „Reds“ den brasilianischen Nationaltorhüter Alisson Becker für 72 Millionen vom AS Rom verpflichtet hatten, war seine weitere sportliche Zukunft in Liverpool besiegelt. Deshalb wurde er 2018 an den türkischen Spitzenklub Besiktas Istanbul verliehen. Er wollte seine angekratzte sportliche Reputation mit guten Leistungen wieder aufpolieren, was ihm teilweise gelang. Als Stammtorhüter absolvierte er für den türkischen Süper-Lig-Klub mehr als 60 Spiele. Aber weil Gehaltszahlungen ausgeblieben sein sollen, beendete er den Leihvertrag und kehrte vorzeitig nach Liverpool zurück.

Eine erneutes Leihgeschäft folgte. Im Sommer 2020 wechselte er zum Bundesligisten Union Berlin in der Absicht, Spielpraxis zu sammeln. Seine Erwartungen erfüllten sich nicht. Laut eigenen Aussagen sollen ihm die Union-Verantwortlichen zugesichert haben, dass er im Tor stehen werde. Wieder wurde nichts aus dem beabsichtigten Neustart. Karius kam an Andreas Luthe nicht vorbei, nur fünf Einsätze standen am Ende zu Buche. „Im Nachhinein betrachtet würde ich den Wechsel zu Union Berlin jetzt nicht mehr machen“, bereute er seine Leihe rückwirkend in einem Sky-Interview. Auch hätte der Leistungsgedanke definitiv hintangestanden, äußerte er sich enttäuscht gegenüber der BILD.

Zur Saison 2021/22 kehrte er wieder zum FC Liverpool zurück. Nach seiner Rückkehr war er aber hinter Alisson, Adrián, Kelleher sowie Marcelo Pitaluga nur noch die fünfte Wahl und daher ohne Chance auf Einsätze. Der Trainingsplatz blieb sein einziges Betätigungsfeld, eine unbefriedigende Situation für ihn.

Deshalb kam ihm im September 2022 das Angebot von Newcastle United gelegen. Durch die Verletzung von Ersatztorhüter Karl Darlow und den Abgang von Martin Dubravka kurz vor Ende der Transferperiode zu Manchester United hatte der Premier-League-Konkurrent Bedarf auf der Torwartposition und war auf der Suche nach einem Backup hinter dem englischen Nationaltorhüter Nick Pope. Der Klub entschied sich für Karius. Er unterschrieb zunächst nur einen Kurzzeitvertrag bis zum 31. Dezember 2022. Am Ende wurden zwei Spielzeiten daraus. Wieder blieb ihm aber, abgesehen von einem Spieleinsatz, nur der Platz auf der Ersatzbank. Mit dem Vertragsende verließ der Keeper Ende der Saison 2023/24 den Verein. Von nun an war er arbeitslos.

Aus der Arbeitslosigkeit zu Schalke 04

Seine Versuche, bei einem italienischen Verein unterzukommen, blieben erfolglos. Durch die Heirat mit der italienischen TV-Moderatorin Diletta Leotta hatte sich Karius' Lebensmittelpunkt inzwischen nach Italien verlagert. Aus familiärer Sicht hätte sich der 31-Jährige deshalb eine neue Tätigkeit in Italien als beste Option vorstellen können. Doch darauf wurde nichts. „Natürlich hatte sie auf Italien gehofft“, gab der Torhüter bei seiner Vorstellung bei Schalke unumwunden Einblicke in die Gedanken seiner Frau.

Warum wechselt Karius zu Schalke 04?

Als nun das Angebot von Schalke 04 kam, griff Karius zu. Die Knappen hatten Bedarf auf der Torwartposition, nachdem der Verein und der vor der Saison verpflichtete Ron-Thorben Hoffmann nach einem halben Jahr schon wieder getrennte Wege gingen. Die Frage steht im Raum, warum sich Loris Karius nun in die Tiefen der zweiten Liga begeben hat.

Offenbar hat sich der 31-Jährige nicht des Geldes wegen dem FC Schalke 04 angeschlossen. Das legt ein Bericht der ‚Sport Bild‘ nahe. Dem Fachmagazin zufolge streicht der neue Torhüter der Gelsenkirchener bis zum Sommer lediglich ein Salär von 150.000 Euro ein und erhält als ehemaliger Spieler des FC Liverpool damit nur knapp die Hälfte des Gehalts einiger Leistungsträger der Knappen.

Karius nennt für sein Engagement in der zweiten Liga einen anderen Grund. „Für mich ist es eine Chance, in Deutschland bei einem der größten Vereine wieder Fuß zu fassen und mich vielleicht wieder ins Rampenlicht zu spielen“, sagte er. Deshalb glaubt er, dass seine Verpflichtung „eine Win-win-Situation für Verein und Spieler“ werden kann. Denn sollte er sich gegen den bisherigen Stammtorhüter Justin Heekeren als Nummer eins durchsetzen und mit guten Leistungen auf sich aufmerksam machen, dürften ihm wieder sportlich interessantere Angebote ins Haus flattern. Manchmal kann ein Schritt zurück ein größerer Schritt nach vorne bedeuten. Mit 31 Jahren befindet sich Karius eigentlich noch im Zenit seiner Leistungsfähigkeit. Deshalb macht er aus seinen Ansprüchen keinen Hehl: Er will Stammtorhüter auf Schalke werden.

Auch der Verein könnte von der Verpflichtung profitieren, weil das Arbeitsverhältnis ohne finanzielles Risiko für den Klub ist. Denn der sechsmonatige Kontrakt des 31-Jährigen enthält offenbar keine Klausel, die eine automatische Verlängerung zur Folge hätte. Der Verein kann also in Ruhe beobachten, wie sich die frühere deutsche Torwarthoffnung auf Schalke entwickeln wird und danach seine weiteren Planungen mit dem Ex-Liverpooler ausrichten.

Damit Karius sich aber wieder ins Rampenlicht spielen kann, muss er von Schalke-Coach Kees van Wonderen zuerst Einsatzzeiten auf dem Platz bekommen. Entgegen der Erwartung einiger Medien hat sich der Trainer vorerst noch auf Heekeren festgelegt. „Loris braucht noch Zeit, da er länger kein Mannschaftstraining hatte. Er ist noch auf dem Weg, seinen Rhythmus wiederzufinden und auf sein bestes Niveau zu kommen." Schließlich war Karius seit seinem Abschied von Newcastle United vereinslos und damit ohne Spielpraxis und regelmäßiges Training im Mannschaftsverbund. Konkurrent Justin Heekeren ist bisher also noch in der Pole Position. Von seinen Leistungen oder einer möglichen Verletzung wird es abhängen, ob Karius überhaupt von Chefcoach Van Wonderen eine Chance zwischen den Pfosten des Schalker Tores erhalten wird. Fußball ist ein Tagesgeschäft. Viele Beispiele aus der Vergangenheit zeigen, dass es oft Kleinigkeiten und Momente sind, die das Blatt in die ein oder andere Richtung wenden.

Blickpunkt

Artur Stopper

Artur Stopper

Mit über 25 Jahren Erfahrung als Torwarttrainer weiß Artur, wie Torhüter ticken. Deshalb bevorzugt er Themen, die die Welt der Torhüter ausmachen: Vereinswechsel, Tiefschläge, Pechsträhnen, Höhenflüge, Emotionen, Ersatzbank, Halbgötter, Erfolge.

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