Eigentlich war der Deal bereits über die Bühne. Zur kommenden Saison sollte Jan Olschowsky vom Bundesligisten Borussia Mönchengladbach an den niederländischen Zweitligisten BV De Graafschap ausgeliehen werden, um regelmäßig Spielpraxis auf höherem Niveau zu erhalten. Denn zuletzt spielte der 22-Jährige nach vier Bundesligaeinsätzen in der Saison 2020/21 vor allem der Regionalliga West, wo er für Borussias U23 bislang 84-mal zum Einsatz kam.
Es kam aber anders. In der ersten Trainingseinheit mit seinem vermeintlich neuen Klub verletzte sich der 22-jährige Schlussmann so schwer am linken Knie, dass der Zweitligaverein aus den Niederlanden Abstand nahm von einer Verpflichtung des talentierten Gladbach-Keepers. Wie schwer es Olschowsky am Knie erwischt hat, ist noch unklar, denn eine genaue Diagnose über die Schwere der Verletzung liegt noch nicht vor. Der geplatzte Deal lässt aber eine längere Zwangspause erahnen. Sofort nach der Verletzung reiste er zur ärztlichen Untersuchung und Weiterbehandlung zurück nach Mönchengladbach. "Wir wünschen Jan eine schnelle und gute Genesung", wird Roland Virkus, Borussias Geschäftsführer Sport, in der Vereinsmitteilung zitiert. Für Olschowsky persönlich ist es ein schwerer Rückschlag, zumal er nicht zum ersten Mal vom Pech verfolgt wird. Denn der junge Gladbacher ist ein typisches Beispiel dafür, wie der Faktor Zufall, das eigene Verletzungspech zum falschen Zeitpunkt oder das eines Kollegen die Karriere entscheidend beeinflussen kann.
Karriere beginnt verheißungsvoll
Die Karriere des Gladbacher Eigengewächses begann verheißungsvoll. Im Juli 2009 wechselte er mit 8 Jahren zur Borussia und durchlief dort alle weiteren Jugendmannschaften. Bereits mit 16 Jahren debütierte er in der U23 von Borussia Mönchengladbach als jüngster Torhüter in der Regionalliga West.
Im September 2022 rückte er erstmals an einem Spieltag in den Kader des Bundesligateams. Das Verletzungspech des damaligen Stammtorhüters Yann Sommer als auch seines Vertreters Tobias Sippel verhalfen ihm zum ersten Bundesligaeinsatz. Am 8. November 2022 debütierte Olschowsky bei der 1:2-Niederlage beim VfL Bochum in der Bundesliga. Kurz zuvor war er 21 Jahre alt geworden. Weniger Tage später beim 4:2-Sieg gegen Borussia Dortmund bewahrte er sein Team in der ersten Hälfte mehrfach vor weiteren Gegentoren. Zwei weitere Einsätze folgten, in denen er durchaus zu überzeugen wusste.
Als Stammtorhüter Yann Sommer im Januar den Verein in Richtung Bayern München verließ, wurde er durch seinen Landsmann Jonas Omlin ersetzt. Trotzdem schien die Zukunft für Olschowsky bei den Borussen vielversprechend, zumal er sich als Aufsteiger der Saison in der Hackordnung an Sippel vorbei als Nummer zwei geschoben hatte. Aufgrund der Perspektive, langfristig in Mönchengladbach die Nummer 1 werden zu können, verlängerte er Anfang Februar 2023 seinen Vertrag bis Sommer 2027. Vergleiche mit dem jungen Marc-Andre ter Stegen machten in Gladbach bereits die Runde.
Die Pechsträhne beginnt
Doch es kam anders. Zur Saison 2023/24 war mit Moritz Nicolas ein anderes Gladbacher Eigengewächs nach vier Leihstationen (Union Berlin, VfL Osnabrück, Viktoria Köln, Kerkrade) zum Böckelberg zurückgekehrt. Anfangs herrschte noch etwas Unklarheit im Verein, welche Rolle der Rückkehrer innerhalb der Torhütergruppe einnehmen sollte, schien doch das Torwart-Trio mit Omlin, Olschowsky und Sippel nahezu zementiert.
Doch eine Verletzung veränderte wieder alles. Seit längerem hatte sich Jonas Omlin mit anhaltenden Schulterproblemen herumgeschlagen. Als er in der Sommervorbereitung im Testspiel gegen Montpellier HSC noch einmal unglücklich auf die linke Schulter gefallen war und zusätzliche Physio-Maßnahmen nicht halfen, die Schulter bestmöglich zu stabilisieren, entschied sich der Schweizer in Absprache mit Gladbachs Ärzten für einen operativen Eingriff. Ein monatelanger Ausfall (von September 2023 bis Ende März 2024) war die Folge.
Möglicherweise hätte die schwere Schulterverletzung des Schweizers Jan Olschowsky ins Gladbacher Tor befördert. Das Eigengewächs hatte sich aber im Mai 2023 nach Abschluss der Bundesligasaison in einem Freundschaftsspiel eine Daumenverletzung zugezogen und daher einen großen Teil der Vorbereitung auf die neue Spielzeit verpasst. Während seiner Zwangspause spielte sich Moritz Nicolas in den Sommer-Testspielen derart in den Vordergrund, dass sich Cheftrainer Gerardo Seoane im weiteren Saisonverlauf für Moritz Nicolas zwischen den Pfosten des Gladbacher Gehäuses entschied. Durch fehlerfreie Leistungen stabilisierte er seine Position. Letztendlich kam er auf 27 Einsätze in der Saison 2023/24 und war nach Bewertung des „kicker“ der notenbeste Spieler im Gladbacher Kader. Pech für Olschowsky, der in der vergangenen Saison ohne Bundesligaeinsatz blieb und dem nur der Weg über die U23 blieb, um in zehn Begegnungen in der Regionalliga West Spielpraxis zu sammeln.
Die Entwicklung in Borussias Torwartteam zeigt wieder einmal, wie schnell sich Perspektiven im Fußball ändern können. Aus dem einstigen Hoffnungsträger Jan Olschowsky wurde innerhalb einer Saison ein Schlussmann mit wenig Hoffnung auf einen Durchbruch ins Bundesligateam, denn Gladbach hat im Tor ein Luxusproblem. Aktuell stehen im Profi-Kader der Borussia fünf Keeper: Moritz Nicolas (26), der seine Bundesligatauglichkeit in der vergangenen Saison eindrucksvoll nachgewiesen hat, fordert in der anstehenden Vorbereitung Jonas Omlin (30) als Nummer eins heraus. Dahinter hat der Klub mit Jan Olschowsky (22) ein weiteres Top-Talent, dazu Maximilian Brüll (21) und den erfahrenen Tobias Sippel (36). Weil sein Weg zur Stammrolle derzeit aber versperrt ist, wollte Olschowsky den Umweg über einen anderen Klub gehen, um auf höherem Niveau die Spielpraxis zu bekommen, die er für seine weitere sportliche Entwicklung braucht. Das Beispiel seines Konkurrenten Moritz Nicolas dürfte ihm gezeigt haben, wie erfolgreich ein solcher Umweg verlaufen kann.
Ein Wechsel zu 1860 München zerschlug sich vor einiger Zeit. Auch das Kapitel De Graafschap dürfte damit beendet sein. Ob Olschowsky rechtzeitig gesund wird, um bis zum Ende der Transferperiode noch verliehen zu werden, ist offen. „Wir werden ihn bestmöglich unterstützen, sodass er schnellstmöglich wieder auf die Beine kommt“, sagt Borussias Sportchef Roland Virkus. Es wäre dem überaus talentierten jungen Keeper zu wünschen, dass er nach den Rückschlägen im Laufe der vergangenen Saison noch eine Tür findet, die ihm in seiner weiteren sportlichen Entwicklung helfen wird.