Seit Jahren bietet das alljährlich stattfindende Torwarttrainer-Seminar von Safehands – the art of goalkeeping.com Interessierten eine großartige Möglichkeit, sich von Top-Referenten Informationen und Anregungen zu verschiedenen Themenschwerpunkten des Torwartspiels geben zu lassen. In diesem Jahr gab das Mönchengladbacher NLZ-Torwarttrainer-Team mit Uwe Kamps, Marcin Skowronek und Ludger Blaswich einen interessanten Einblick in die Struktur und Arbeitsweise der „Fohlen“ und stellten ihre Ideen beim Verteidigen von Bällen in die Tiefe vor.
Vorstellung der Referenten
Zunächst übernahm Uwe Kamps die Aufgabe, die Zuhörer mit einführenden Worten auf die Vorträge seiner Mitarbeiter einzustimmen und sein Torwarttrainer-Team mit ihrer Vita und ihrem Aufgabenbereich im Verein vorzustellen. Während er selbst nach vielen Jahren als Torwarttrainer im Profiteam seit einiger Zeit die Aufgabe des Leiters der Torwartausbildung bei der Borussia übernommen hat, ist Ludger Blaswich für die Ausbildung der Torhüter von der U9 bis U13 und Marcin Skowronek für die U16/U17 zuständig.
Ausbildungsphilosophie, Lernziele, Organisation im Verein
Nach Kamps Einführung referierte Ludger Blaswich über die Strukturen im Verein. Sein Thema war die Ausbildungsphilosophie beim Bundesligisten mit den dazugehörenden Lernzielen, den Leistungsanforderungen sowie der Trainingsorganisation. Zudem gab er kurze Einblicke in die Infrastruktur und die Trainingsanlagen im Borussia-Park, die Anfang des Jahrhunderts neben dem neu erbauten Stadion mit mehreren Spielfeldern hochmodern gestaltet wurden, wie die Luftaufnahme zeigt.
a) Ausbildungsphilosophie
Die Ausbildungsphilosophie ist bei Borussia Mönchengladbach klar definiert: „Unser Ziel ist es, unsere hochwertigen talentierten Torhüter für die Lizenz- oder U23 Mannschaft bestmöglich im sportlichen und in der persönlichen Entwicklung bei Borussia Mönchengladbach auszubilden. Durch Erlernen der technisch-taktischen-athletischen-mentalen Fähig- und Fertigkeiten, werden die Nachwuchstorhüter schrittweise an den Leistungs- und Spitzensport herangeführt. Altersgerechte Schwerpunkte der Trainingsinhalte im modernen Torhütertraining sollen die sportliche Grundlage bilden, damit unsere Torhüter ihre Leistungen in den jeweiligen Altersklassen umsetzen und anwenden können.‘‘
Anhand von Grafiken verdeutlichte Ludger Blaswich detailliert, welche inhaltlichen Ziele und Schwerpunkte die Ausbildungsphilosophie umfasst. In technisch-taktischen Bereich nannte er die defensiven sowie offensiven Fähigkeiten, die ein Torhüter erreichen soll. Danach stellte er dar, welche physischen Voraussetzungen (Kraft, Koordination, Schnelligkeit, Kondition) ein Keeper mitbringen soll bzw. im Trainingsalltag in welchem Alter wie entwickelt werden.
Neben den genannten Bereichen spielt für Blaswich aber auch die Orientierung am Vorbild eine Rolle in der Ausbildung. Wenn die Möglichkeit besteht, wirft er mit seinen Schützlingen einen Blick auf die Arbeit der Profi-Torhüter. Zudem sei es für die Einwicklung eines „Familiengefühls“ innerhalb des Vereins wichtig, dass durch Kontakte und durch die Nähe zu den Profis sowie durch die Durchlässigkeit innerhalb des Trainerteams, indem z.B. der Trainer der U19 im Training der Jüngeren mitarbeitet, eine Identifikation mit dem Verein entstehe. Neben den physischen müssten die Keeper aber auch mentale Eigenschaften mitbringen. Sind diese gut ausgebildet, hätten die Kinder eine hohe Aufmerksamkeit und die Anzahl der individuellen Fehler sinke, betont Blaswich. Diese persönlichen Voraussetzungen seien bei einer Verpflichtung wichtig und werden im Training durch eine positive Kommunikation gefördert. Wert legt Blaswich außerdem auf das Verantwortungsbewusstsein der Torhüter für sich und das Team, was sich im Umgang mit der individuellen Torhüter Ausstattung, der Materialien und das Aufräumen der Trainingsgeräte nach dem Training zeige.
In ihrer Arbeit orientieren sich die Torwarttrainer an Leitbilder, die in der Torwartausbildung – wenig überraschend - der in Mönchengladbach ausgebildete Barca-Schlussmann Marc-Andre ter Stegen sowie die aktuelle Nummer eins, der Schweizer Nationaltorhüter Yann Sommer sind.
b) Lernziele
In einer Übersicht stellte er zudem dar, welche Lerninhalte, Lernziele und die Lernmethodik die Ausbildung der Torhüter in den einzelnen Altersstufen bestimmen. Unterteilt in Technik, Taktik und Athletik gibt es bei der Borussia genaue Lernziele, die in verschiedenen Altersstufen entwickelt und erreicht werden sollen. Während im unteren Altersbereich vor allem das Kennenlernen, Hinführen und Anwenden von Basistechniken im Mittelpunkt steht, ist das Entwickeln und Festigen ab der U16 der Schwerpunkt, in der U19 und U23 hingegen das Festigen und Beherrschen der Techniken.
c) Trainingsorganisation
Die Torwarttrainer bei Gladbach arbeiten in einem Team mit Uwe Kamps als Leiter der Torwartausbildung. Für die Profis ist seit 2021 Fabian Otte zuständig. Seit dem Sommer hat Milenko Gilic die U23 und U19 übernommen, unterstützt vom ehemaligen Gladbach-Keeper Martin Kompalla, der auch anderen Torwarttrainern aushilft. Marcin Skowronek betreut die U16 und U17, Stefan Nöhles die U14/U15, Ludger Blaswich die U9-U13 und Linus Wirth, der noch in der A-Jugend spielt und bei der U23 trainiert, die U9/U10.
Insgesamt sind von der U9 bis zur U23 im Moment 26 Torhüter im Verein tätig. Näher ging Blaswich zudem auf den Aufgabenbereich der Torwarttrainer ein, der überaus vielfältig ist. Er bestehe im Austausch mit dem sportlichen Leiter und dem Torwarttrainerteam sowie den Mannschaftstrainern, der Planung und Dokumentation des Trainings, im Bedarfsfall der Übernahme von Aufgaben innerhalb des Torwarttrainerteams, der Begleitung der Torhüter im Training, bei den Spielen, bei Turnieren oder im Trainingslager. Ab einem gewissen Alter sei zudem die Videoanalyse ein fester Bestandteil. Außerdem würden die Torhüter regelmäßig bewertet. Zu Beginn der Saison gebe es ein Zielformulierungsgespräch, im Herbst ein Standortgespräch und im März / April ein Perspektivgespräch. Weitere Aufgaben seien die Kaderplanung sowie persönliche Gespräche mit den Torhütern oder deren Eltern.
d) Leistungsanforderungen
Bezüglich der Leistungsanforderungen wurde bei der Borussia eine Positionsspezifikation erstellt, die auch eine Orientierung für die Scouts beim Sichten von Torhütertalenten ist. Dazu zählen Aspekte wie Technik, Taktik, Athletik, Spielaufbau, Beidfüßigkeit und Mentalität. Selbstverständlich können nach Blaswich noch nicht alle diese Kriterien, wie z.B. die Beidfüßigkeit, bei einem jungen Torhüter gegeben sein. Für Blaswich ist es deshalb kein Ausschlusskriterium bei der Verpflichtung eines jungen Torhüters, wenn er diese Fähigkeit nicht besitzt. Seiner Meinung nach müsse die Erwartungshaltung an die Leistungsfähigkeit eines Achtjährigen angepasst werden, denn welcher junge Mensch könne in diesem Alter einen Pass schon beidfüßig spielen.
Anschließend ging Blaswich darauf ein, welche Bausteine im Training der Borussia trainiert werden: Torverteidigung, Raumverteidigung, 1gegen1 und Spielaufbau. In einem Organigramm zeigte er auf, welche genaueren Inhalte mit diesen Oberbegriffen gemeint sind und ab welchem Alter sie sinnvollerweise trainiert werden.
Ein Aspekt war Ludger Blaswich außerdem noch wichtig. Für ihn sind Spaß und Wettkampfformen wichtige Elemente im Torwarttraining mit jungen Torhütern. Es gehe um Freude und Emotionen. Dazu zählt auch der Umgang mit negativen Ereignissen und Erfahrungen, denn es gibt für Blaswich im Basisbereich keine Fehlerquoten! Die individuellen Wahrnehmungen und Selbsteinschätzungen der Torhüter bilden das Fundament einer sportlichen Entwicklung. Er sieht es als die Aufgabe des Torwarttrainers an, das Torwartspiel mit Spaß und Freude zu vermitteln. Für ihn als Torwarttrainer bestehe die Genugtuung darin, die Jungs nach Möglichkeit in die nächste Jahrgangsstufe zu fördern, aber auch menschlich zu unterstützen und zu begleiten.
Raumverteidigung / Mitspielen bei Bällen in die Tiefe
Abschließend bereitete Marcin Skowronek die Teilnehmer in der Theorie auf die anschließende Praxis-Demonstration zum Thema „Raumverteidigung / Mitspielen bei Bällen in die Tiefe“ vor.
Anhand von Videobeispielen von Yann Sommer und Gladbacher Nachwuchstorhütern zeigte er anschaulich, wie der Torhüter bei der Verteidigung des Raumes hinter der Abwehrreihe häufig als mitspielender Torhüter gefordert ist. Eine WM-Statistik des DFB ergab, dass das Mitspielen bei Bällen in die Tiefe nach Standardsituationen wie Eckbällen die zweithäufigste Aufgabe des Torhüters in der Raumverteidigung ist. Deshalb seien die Mönchengladbacher Torwarttrainer darauf bedacht, sowohl beim Mitspielen hinter der Abwehrkette als auch bei der hohen Raumverteidigung, z.B. beim Abfangen von Flanken, junge Torleute so auszubilden, dass sie mutig, offensiv und aggressiv agieren, führte Skowronek aus. Da z.B. die U17 der Gladbacher in der Regel in ihren Spielen viel Ballbesitz hat und überwiegend in der gegnerischen Hälfte spiele, bedeute dies im Umkehrschluss, dass bei Ballverlusten viel Raum hinter der Abwehrkette entstehe. Deshalb sollen die Gladbacher Torhüter offensiv stehen und mutig agieren, auch wenn dabei Fehler passieren. Zum einen geht es nach Skowronek bei diesem Spielverhalten um den Raum, der verteidigt werden muss, und zum anderen darum, dass die eigene Mannschaft im Ballbesitz bleibt und dadurch schnelle Umschaltsituationen entstehen können.
Deshalb bauen die Gladbacher regelmäßig diese Anforderungen an den Torhüter ins Training ein. Der Ablauf der Trainingseinheit erfolgt nach dem WASIC-Prinzip des DFB: Einem Warmup, dem darauffolgenden analytischen Teil und gegen Ende mit einem situativen Teil. Sehr detailliert ging Skowronek danach auf die im anschließenden Praxisteil gezeigte Trainingseinheit ein und erklärte, welche inhaltlichen Schwerpunkte aus dem technischen und taktischen Anforderungsprofil des Vereins in die gezeigten Übungen einfließen.
Wie diese Elemente im anschließenden Praxisteil umgesetzt wurden, zeigt das folgende Video, das vom Torwarttrainer Team der Borussia aus Mönchengladbach nach der Veranstaltung in Bregenz erstellt und Goalguard zur Verfügung gestellt wurde.