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Das Torwartspiel hat sich gegenüber früheren Zeiten deutlich verändert. Gleichgeblieben ist aber die große Bedeutung des Torhüters in einem Fußballspiel. Um den Keeper darauf vorzubereiten und die Entwicklung der österreichischen Torhüter entsprechend zu unterstützen, entwickelte die ÖFB-Trainer-Akademie und ÖFB-Goalkeeping zusammen mit den Torwarttrainern aus dem ÖFB-Profi-Bereich vor etwa zwei Jahren ein eigenes Ausbildungskonzept.

Roland Goriupp, Tormann-Chefausbilder bei ÖFB, stellte das Konzept auf dem diesjährigen Torwarttrainer-Seminar von Safehands, das Anfang Oktober in Bregenz stattfand, vor. Im Mittelpunkt des Vortrags stand die Frage, welche Herausforderungen die verschiedenen Spielphasen an den Torhüter stellen und wie er seine Positionierung an die jeweilige Spielphase bestmöglich anpasst. Exemplarisch nahm Goriupp dafür das Verhalten des Keepers bei gegnerischem Ballbesitz unter die Lupe.

Das Spielphasenmodell des ÖFB

Ein wesentlicher Baustein in der Umsetzung des ÖFB-Konzepts sind die Spielprinzipien in den einzelnen Spielphasen. Zur Erinnerung: Das Spielphasen-Modell unterscheidet fünf Phasen: Die eigene Mannschaft im Ballbesitz, der Gegner im Ballbesitz, Umschaltphase von der Offensive in die Defensive und umgekehrt, sowie Standardsituationen, die nach einer Spielunterbrechung erfolgen.

Torwartspiel in den verschiedenen Spielphasen

Für die einzelnen Spielphasen entwickelte der ÖFB Handlungsanweisungen, wie sich der Torhüter jeweils innerhalb der Mannschaftstaktik bestmöglich verhalten und positionieren soll.

a) Bei eigenem Ballbesitz

Ist die eigene Mannschaft im Angriff, unterstützt der Torhüter entweder das Kombinationsspiel seiner Mannschaft oder spielt weite Bälle auf einem Zielspieler oder hinter die Abwehrkette des Gegners.

b) Gegner in Ballbesitz

In dieser Phase stehen für den Torhüter zwei Aufgaben im Mittelpunkt: Die direkte Torverteidigung und die Raumsicherung. Er versucht einen Torerfolg des Gegners zu verhindern, indem er Schüsse auf sein Tor abwehrt oder bereits im Vorfeld durch eine gute Raumverteidigung einen Torabschluss verhindert.

Umschaltphasen

In den Umschaltphasen geht es für den Torhüter immer darum, sich schnell auf die veränderten Gegebenheiten einzustellen, je nachdem, ob sich seine Mannschaft in der Umschaltphase auf Abwehr oder auf Offensive befindet. Aber selbst ohne eigene Ballaktionen spielt die situative Positionierung des Keepers eine wichtige Rolle. Denn allein mit seiner Präsenz kann ein Torhüter sowohl bei seiner eigenen Mannschaft als auch beim Gegner etwas auslösen und bewirken. Ebenso wichtig ist die Kommunikation mit seinen Mitspielern, denn der Torhüter trägt mit seinen Anweisungen dazu bei, dass seine Mitspieler gut positioniert sind.

Die Abwehrphase unter der Lupe

Um das Torwartverhalten in einer bestimmten Spielphase zu verdeutlichen, griff Roland Goriupp exemplarisch die Abwehrphase heraus und stellte dar, was die speziellen Aufgaben des Torhüters sind, wenn der Gegner im Ballbesitz ist und die eigene Mannschaft ein Gegentor zu verhindern versucht.

Eine heutzutage oft angewandte Möglichkeit, den Ball wieder schnell zurückzugewinnen, ist das Gegenpressing. Der Torhüter unterstützt diese Aktion durch seine Positionierung, indem er möglichst viel Raum hinter der Abwehr absichert und nur so tief steht, dass er einen möglichen Torschuss in der Torverteidigung verhindern kann. In der Kommunikation mit der Defensive muss er zudem seine Mannschaft organisieren.

Wenn keine schnelle Rückeroberung des Balles im Gegenpressing möglich ist, versucht die Mannschaft, aus einer geordneten Grundordnung heraus einen Torabschluss oder Torerfolg des Gegners zu verhindern. Um seine Mannschaft zu unterstützen, muss sich der Keeper so positionieren, dass er so tief wie nötig steht, aber trotzdem so viel Raum wie möglich hinter der Abwehrkette absichert. In der Raumsicherung hilft der Torhüter aktiv mit, indem er Präsenz zeigt durch seine Positionierung, seine Kleidung, seinen Körperbau oder seinen Habitus. Denn allein durch sein Auftreten verhindert er möglicherweise, dass ein Ball in einen gefährlichen Raum vor seinem Tor kommt. Mit lautstarker Kommunikation und guten Entscheidungen trägt er zudem zur Stabilität in der Defensive bei.

Die richtige Positionierung finden

Sollte es aber trotz allen Bemühungen zu einem Torabschluss des Gegners kommen, sollte der ÖFB-Torwart im Moment des Schusses eine gute Positionierung haben. Eine gute Positionierung ergibt sich aus den xG-Wert-Druckbedingungen, die der gegnerische Angreifer im Moment des Torabschlusses vorfindet. Der xG-Wert benennt die Wahrscheinlichkeit, mit der aus einer vergleichbaren Situation in der Vergangenheit Tore gefallen sind. Die Aufgabe des Torhüters ist es nun, durch seine Positionierung die Torwahrscheinlichkeit zu verringern. Drei Aspekte sind dabei - unabhängig von der Distanz zum Schützen - immer elementar: Der Torhüter muss sich in der Mitte in der zu erwartenden Einschussfläche positionieren, er muss rechtzeitig bereit sein und in der Aktion die entsprechende Torwarttechnik richtig umsetzen.

In ähnlicher Weise hat der ÖFB alle weiteren Spielphasen und die entsprechenden Aufgaben und Handlungsanweisungen für den Torhüter beschrieben. Ein endgültiges, für immer ausdefiniertes Konzept wird es aber nicht sein, ist sich Goriupp sicher. Es gehe immer weiter, weil immer neue Ideen entwickelt werden und sich dadurch wieder etwas ändert. Letztlich geht es ihm aber darum, das Spiel besser zu verstehen und dem Torhüter die richtigen Handlungsempfehlungen an die Hand zu geben.

Im Anschluss zeigte Roland Goriupp an einer Spielszene, welche Bedingungen für die Entscheidung der Positionierung des Torhüters eine Rolle spielen.

Die Spielszene

Wie man das Torwartverhalten anhand der ÖFB-Prinzipien analysieren kann, zeigte Goriupp im Anschluss anhand einer Spielszene aus der österreichischen Bundesliga.

Die Mannschaft A verliert den Ball nach einem Anspiel zum Außenstürmer 10 m hinter der Mittelinie in der gegnerischen Hälfte. Der Balleroberer leitet den Ball parallel zur Außenlinie auf den Mitspieler, der den Ball kurz annimmt, sich dreht und mit dem zweiten Kontakt flach als Tiefenpass in den Lauf des Stürmers spielt. Sofort nimmt der überraschte Verteidiger die Verfolgung auf. Im Zentrum hat die verteidigende Mannschaft mit zwei Innenverteidigern eine 2:1-Überzahl. Weil der Spieler, der die Verfolgung aufgenommen hat, dem Angreifer nicht hinterherkommt, orientiert sich der ballnahe IV zum Ballführenden.

Als der Ballführende auf Höhe des Strafraums angekommen ist, versucht der IV den Ball zu blocken, kann jedoch den Schuss des Angreifers, der im linken Toreck aus Sicht des Schützen einschlägt, nicht verhindern. Der Torhüter hat zuvor eine Position auf Höhe der 5-m-Linie eingenommen. Wie ist das Verhalten des Torhüters in dieser sicherlich schwierigen Situation unter der Perspektive der ÖFB-Prinzipien zu bewerten? Um das Torwartverhalten richtig einschätzen zu können, analysierte Roland Goriupp zunächst die Ausgangssituation der Spielszene unter den Parametern des ÖFB-Modells.

a) In welcher Spielphase befinden sich die Angreifer?

Die Antwort auf diese Frage ist recht eindeutig. Mannschaft A befand sich im Angriff und versuchte über ihre rechte Angriffseite in die torgefährlichen Zonen des Gegners zu kommen.

b) Wie ist die Spielanlage der Mannschaft?

Mannschaft A suchte den Erfolg nicht über lange Flugbälle, sondern über das Kombinationsspiel. Die Aufgabe des Torhüters besteht in diesem Fall darin, den Ballbesitz zu sichern. Die Handlungsempfehlung dazu ist qualitativ hochwertiges Passspiel, zuverlässig sein. Diese Aufgabe erfüllt der Torhüter von Mannschaft A.

c) Die Spielphase wechselt

Durch den Ballverlust wechselt Mannschaft A in eine andere Spielphase, nämlich in das Umschaltspiel vom Angriff auf Abwehr. Im ersten Moment versucht die Mannschaft, ins Gegenpressing zu kommen. Der Torhüter passt seine Position sofort der neuen Spielphase an. In der Beispielszene ist die Position des Torhüters ausreichend hoch, um einen länger und tiefer gespielten Steilpass noch ablaufen zu können. Da der Passgeber den Ball aber so auf seinen Mitspieler spielt, dass der Torhüter keinen Zugriff hat, lässt sich der Keeper richtigerweise fallen. Die Situation verändert sich erneut, als der Stürmer zum Torabschluss ansetzt. Nun wählt der Torhüter im optimalen Fall eine Positionierung gemäß den xG-Druckbedingungen. Doch was ist die optimale Positionierung unter den xG-Druckbedingungen?

Positionierung gemäß xG-Druckbedingungen

Die optimale Positionierung des Torhüters in Relation zum xG-Wert zielt darauf ab, den xG-Wert des Schusses zu reduzieren, um damit die Torwahrscheinlichkeit durch eine gute Positionierung des Torhüters senken zu können. In einem kleinen Exkurs stellte Goriupp dazu zunächst dar, von welchen Einflüssen der xG-Wert überhaupt abhängt.

Der xG-Wert besteht aus vier großen Parametern: der Schussposition (Distanz, Winkel), Position der Verteidiger und Mitspieler, (Pass möglich?), der Dynamik des Momentes (passiert Situation aus einer Umschaltphase, aus Tempodribbling, aus statischer Situation oder Standardsituation) und der Position des Torhüters. Der xG-Wert berücksichtigt nicht die Qualität des Schusses, sondern er definiert nur die Position vor dem Schuss. Deshalb eignet sich der xG-Wert auch nicht für die Beurteilung von Torwartleistungen. Aber anhand der aufgezeigten Parameter lässt sich betrachten, ob der Torhüter in der Situation eine gute Positionierung gemäß der xG-Druckbedingungen hatte, was Goriupp am angesprochenen Beispiel in der nun folgenden Analyse ausführte.

Das Torwartverhalten unter der Lupe

Nach den allgemeinen und grundsätzlichen Ausführungen nahm Roland Goriupp nun speziell das Verhalten des Torhüters in der oben beschriebenen Spielszene mit Hilfe der vom ÖFB erarbeiteten Parametern unter die Lupe.

a) Die Schussdistanz und -position

Die erwartete Schussdistanz liegt in dieser Szene leicht seitlich knapp außerhalb der Strafraumgrenze. Die Handlungsempfehlung für den Torhüter in dieser Situation wäre eine Positionierung in Richtung Torlinie, um so Reaktionszeit zu gewinnen. Denn diese ist aus 16 m deutlich höher als aus 11 m. Der Torhüter steht in dieser Situation knapp von der 5-m-Linie, nach Ansicht von Goriupp ist seine Position deshalb nicht optimal.

b) Position der Mitspieler und Gegner

Ein Verteidiger rückt aus dem Zentrum heraus und macht Druck auf den Spieler. Möglicherweise veranlasst dieses Verhalten den Stürmer dazu, sofort abzuschließen, weil er wahrnimmt, dass er geblockt oder attackiert werden könnte und dadurch der Torabschluss verhindert würde. Sobald der Torhüter dieses Signal erkennt, muss er in die Torverteidigung, d.h. er muss defensiv bleiben, um wieder Reaktionszeit zu gewinnen. Auch in diesem Fall hat der Torhüter die Handlungsanweisung nicht zufriedenstellend umgesetzt.

c) Die Dynamik des Torabschlusses

Der Torabschluss erfolgte nach einem Tempodribbling, die gesamte Mannschaft B war also dynamisch unterwegs. Die Handlungsempfehlung in dieser Situation für den Torhüter wäre, erst dann Druck auf den Stürmer zu machen, wenn der Stürmer in den Strafraum eindringt und einen freien Weg in Richtung Tor hat. Dann kommt es in einer 1gegen1-Situation zu einem Block oder Ballangriff durch den Torhüter. Ansonsten geht es für ihn wieder darum, Reaktionszeit zu gewinnen. Auch in diesem Fall ist die entsprechende Handlungsempfehlung nicht umgesetzt.

d) Was sagt der xG-Wert?

Roland Goriupp hat den xG-Wert für diese Situation errechnen lassen, wenn der Torhüter auf der 5-m-Linie verharrt. Er beträgt 0,2, d.h. in 20 % der Fälle kommt es in dieser Situation zu einem Gegentor. Rückt der Torhüter aber in der gleichen Situation zurück auf die Torlinie, beträgt der xG-Wert nur noch 0,1, also nur jeder 10. Schuss führt zum Erfolg. Das Ergebnis ist klar: Die Positionierung des Torhüters hat einen entscheidenden Einfluss auf den xG-Wert! Anders ausgedrückt: Die Torwahrscheinlichkeit ist doppelt so hoch, wenn der Keeper auf der 5-m-Linie stehen bleibt. Insofern war die Positionierung gemäß der xG-Druckbedingungen wieder nicht optimal.

Abschließend ging Goriupp noch auf zwei weitere Kriterien ein, die für eine Torverhinderung entscheidend sind. Zum einen stellte er zur Diskussion, ob der Torwart die richtige Positionierung auf der Mitte des zu erwartenden Schusses einnahm. Zum anderen wurde der Aspekt unter die Lupe genommen, ob der Keeper im Moment des Schusses bereit „fertig“ war.

Am Ende der Analyse blieb festzustellen, dass sich der Torhüter im gezeigten Beispiel nicht optimal verhalten und nicht die bestmögliche Positionsumsetzung erreicht hat. Das Ziel des ÖFB-Konzeptes ist, bestimmte Spielsituationen – wie gezeigt – analytisch anzugehen und mit einer fundierten Analyse die Ergebnisse mit den Torhütern besprechen zu können, um auf diese Weise von den üblichen „Stammtischdiskussionen“ wegzukommen und die Keeper stattdessen mit einer fundierten Analyse auf ihrem Weg zu unterstützen.

Veranstaltung

Artur Stopper

Artur Stopper

Mit über 25 Jahren Erfahrung als Torwarttrainer weiß Artur, wie Torhüter ticken. Deshalb bevorzugt er Themen, die die Welt der Torhüter ausmachen: Vereinswechsel, Tiefschläge, Pechsträhnen, Höhenflüge, Emotionen, Ersatzbank, Halbgötter, Erfolge.

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