Die Verarbeitung von Rückpässen gehört heute zum Standard jedes Profitorhüters. Doch eines zeigte auch die EM deutlich: Nicht alle Torhüter beherrschen das Spiel mit dem Fuß zu gleichen Maßen. Während der eine Schlussmann den Ball ruhig und sicher in den Ballbesitz seiner Mannschaft einbaut, gerät ein anderer manchmal unter Druck und spielt das Spielgerät unkontrolliert nach vorne oder zum Gegner. Manchmal geschieht dies, wenn der Gegner den Torhüter unter Druck setzt und er daher wenig Zeit hat, den Ball gut zu verarbeiten. Manchmal ist es aber einfach ein schlechter erster Ballkontakt, der den Torhüter unter Zeitdruck bringt und ein kontrolliertes Aufbauspiel verhindert. Was ist aber ein guter erster Ballkontakt und wie funktioniert er? Wir sagen es euch!
Eine typische Rückpasssituation
Auf dem Foto ist eine typische Rückpasssituation dargestellt, wie sie häufiger im Spiel auftritt.

Ein Mitspieler macht mit einer Drehung und einem Blick hin zum Torhüter deutlich, dass er die Mithilfe des Torhüters zu einem Rückpass sucht. Sobald der Torhüter den suchenden Blick des Mitspielers wahrnimmt, zeigt er dies durch seine Laufbewegung an. Je nach Situation kommt er entgegen, lässt sich fallen oder bietet sich seitlich an.
Wie verarbeitet der Torhüter ein Rückpass am besten?
Damit ein Rückpass erfolgreich und sicher gelingt, müssen verschiedene Aspekte erfüllt sein:
a) Bereitschaft anzeigen und Distanz schaffen
Steht der Torhüter - wie in der Abbildung - relativ weit vor dem Tor, wird er sich, wenn gegnerische Angreifer auf ich zulaufen, eher in Richtung Tor zurückfallen lassen, um so die Distanz zum Gegner zu vergrößern und dadurch mehr Zeit zu gewinnen. Steht er hingegen im Tor, macht er durch eine Vorwärtsbewegung deutlich, dass er zum Anspiel bereit ist.
b) Torhüter muss die richtige Anspielposition finden
Bereits in dieser Laufbewegung muss der Torhüter sich entscheiden, an welcher Stelle des Spielfeldes er sich für den Rückpass anbietet. Eines ist klar: Die optimale Position ist für ihn in der Mitte des Strafraums, denn nur von hier aus kann er das ganze Spielfeld nach beiden Seiten gleich gut überblicken. Ein weiterer Vorteil: Er hat für einem Pass nach beiden Seiten die gleichen Entfernungen und kann so seine Mitspieler auf beide Spielhälften gleich gut erreichen. Der Torhüter in der Grafik steht deshalb nicht optimal, denn er kann die linke Spielhälfte aufgrund seiner leicht verdrehten Position weniger gut wahrnehmen und hat einen längeren und damit unsichereren Weg zu einem Mitspieler auf dieser Spielfeldseite. Manchmal muss sich der Torhüter aber bewusst auf einer bestimmten Spielfeldseite anbieten, z.B. wenn er Gegnerdruck auf der anderen Spielfeldseite erhält.
c) Pass richtig dosieren
Entscheidend für ein Gelingen eines Rückpasses ist auch, dass der Ball mit dem richtigen Druck sowohl vom Mitspieler zum Torhüter als auch vom Torhüter zum Mitspieler gespielt wird. Denn ist der Ball zu sanft gespielt, braucht der Torhüter zu viel Zeit, um den Ball zu kontrollieren. Ist der Ball hingegen mit zu viel Druck gespielt, erschwert dies die Ballkontrolle. Ein schlecht dosierter Rückpass bringt den Torhüter also unnötigerweise in Schwierigkeiten. Deshalb muss das Ziel sein, Pässe so einfach als möglich zum Torhüter zurückzuspielen. Noch aus einem weiteren wichtigen Grund ist ein gelungener Rückpass zum Torhüter wichtig. Bei einem schwierigen Rückpass fehlt ihm die Zeit, das Spielfeld vorab gut zu scannen, um die bestmögliche Anspielstation schon zu erkennen, bevor er den Ball angenommen und weiterverarbeitet hat.
d) Mitspieler müssen sich anbieten
Noch ein Aspekt ist von Bedeutung, wenn ein Rückpass sicher in den eigenen Reihen gehalten werden soll. Sobald der Ball zum Torhüter gespielt wird, ist das das Zeichen für die Mitspieler, Anspielpunkte für den Torhüter zu schaffen. Am wichtigsten ist, dass sich die Außenverteidiger weit nach hinten fallen lassen, um so dem Torhüter Anspielstationen zu schaffen. Gleichzeitig bietet sich der Sechser im Zentrum zum Anspiel an. Wichtig ist auch, dass sich der Torhüter nach einem Pass auf einen Mitspieler ebenfalls wieder als Anspielstation bereithält.
Seit die Torhüter immer mehr über fußballspezifische Fähigkeiten verfügen, suchen sie zunehmend auch die äußeren Mittelfeldspieler oder sogar Stürmer als Anspielstationen. Allerdings muss sich der Torhüter dabei bewusst sein, dass längere Flugbälle gegenüber einem Kurzpass eher zu einem Ballverlust führen. Zudem sollte im besten Fall zuvor mannschaftsintern abgesprochen werden, wie durch bestimmte Laufbewegungen der Feldspieler Räume für lange Anspiele des Torhüters geöffnet werden können.
e) Ballannahme mit Innenseite
Ganz entscheidend für eine gute Verarbeitung eines Rückpasses ist die Ballannahme und die Verarbeitung des ersten Ballkontaktes. Wie dieser Erstkontakt gut gelingt, haben wir in einem anderen Artikel beschrieben. Der spanische Nationaltorhüter Unai Simon machte bei der EM 2020 eine unangenehme Erfahrung bei einem Rückpass. Ein Zuspiel seines Teamkollegen Pedri aus ca. 45 m berechnete er falsch, der Ball rollte an seinem Fuß vorbei ins leere Tor. Pannen passieren also auch auf höchstem Niveau. Im Hinblick auf die Verarbeitung von Rückpässen zeigt diese Szene eines deutlich: Bei jedem Rückpass muss der Torhüter hoch konzentriert sein, nur eine kurze Unkonzentriertheit kann zu einem schwerwiegenden Fehler führen und der Torwart zum Gespött der Zuschauer und Medien machen.
Weiterführende Artikel Zur Themenseite
-
Rückpass: Wie soll sich der Torhüter anbieten?
- Artur Stopper
-
Bundesliga 2021/22: Die Ballmagneten der Hinrunde
- Artur Stopper
-
Der Erstkontakt: Warum er so wichtig ist und wie er gelingt!
- Artur Stopper