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Uwe Kamps ist eine Vereinslegende bei Borussia Mönchengladbach. Zwischen 1982 und 2004 stand er 22 Jahre lang bei den Fohlen unter Vertrag und absolvierte in dieser Zeit 518 Pflichtspiele für den Klub vom Niederrhein. Nur ein Spieler kam in der Historie der Gladbacher auf mehr Einsätze als Kamps: Berti Vogts mit 528 Spielen. In der langen Geschichte der Bundesliga belegt Uwe Kamps mit 390 Bundesligaspielen Platz 17 in der ewigen Tabelle der Torhüter mit den meisten Bundesliga-Einsätzen. Besondere Berühmtheit erlangte der gebürtige Düsseldorfer im Halbfinale des DFB-Pokals 1991/92. Kamps gelang die seltene Leistung, im Elfmeterschießen gegen Bayer 04 Leverkusen vier Elfmeter der Leverkusener zu halten, wodurch der Klub ins DFB-Pokal-Finale einzog. Auch nach dem Ende seiner Spielerlaufbahn blieb Kamps Borussia Mönchengladbach als Torwarttrainer erhalten. In seiner Zeit wurde der damalige Stammkeeper von Mönchengladbach, Marc-André ter Stegen, 2012 Nationalspieler. Seit der Saison 2021/22 ist Kamps als Torwarttrainer nicht mehr für die Profimannschaft zuständig, sondern koordiniert die Torwartausbildung in allen Mannschaften Borussias.

Goalguard hat den inzwischen 58 Jahre alten Ex-Bundesliga-Schlussmann zu seiner sportlichen Vergangenheit, seiner Zusammenarbeit mit Marc-Andre ter Stegen und zur aktuellen Situation der Torhüter in Deutschland befragt.

Artur StopperArtur Stopper Uwe, zunächst eine persönliche Frage: Darf eigentlich ein gebürtiger Düsseldorfer noch an den Rhein zurückkehren, wenn er 22 Jahre für Borussia Mönchengladbach gespielt hat?

Uwe KampsUwe Kamps Ja, ich habe ja noch meine Familie in Düsseldorf und auch meinen Heimatverein BV 04 Düsseldorf, wo ich fast jedes Jahr beim Osterturnier mit dabei bin. Deshalb kehre ich manchmal nach Düsseldorf zurück. Aber mittlerweile fühle ich mich in Mönchengladbach sehr zu Hause.

Artur StopperArtur Stopper Du hast nie den Verein gewechselt, in heutigen Zeiten fast undenkbar. War deine Liebe zum Verein so groß oder hat es an den passenden Angeboten gefehlt?

Uwe KampsUwe Kamps (lacht) Grundsätzlich war ich froh, dass es das Angebot aus Mönchengladbach überhaupt gegeben hat. Fortuna Düsseldorf war mein eigentlicher Herzensverein, weil ich in der Stadt geboren bin. Zudem feierte die Fortuna zur damaligen Zeit große Erfolge mit dem zweimaligen Gewinn des DFB-Pokals 1979 und 1980 sowie mit dem Erreichen des Finales im Europapokal der Pokalsieger 1979 gegen den FC Barcelona. Mein Problem war aber, dass Jörg Schmadtke mein Jahrgang war und er im Gegensatz zu mir von klein auf bei der Fortuna spielte. Deshalb wurde er mir vorgezogen. Mit 18 Jahren kam dann die Anfrage aus Mönchengladbach. Ich vollzog den Schritt aber zunächst nicht, weil es damals noch keine Fahrdienste oder Jugendinternate gab wie heute. So hätte ich drei- oder viermal pro Woche mit dem Zug zum Training fahren müssen, ohne Garantie, dort vom Bahnhof abgeholt zu werden. Es wäre für mich also schwierig gewesen, dieses ganze Paket zu stemmen. Deshalb blieb ich zunächst bei meinen Freunden in Düsseldorf und schloss mich erst im Erwachsenenalter der Borussia an, was sich im Laufe der Zeit als Glücksfall herausstellen sollte.

Artur StopperArtur Stopper Mit 518 Pflichtspielen im Trikot von Borussia Mönchengladbach liegst du in der Legenden-Liste des Vereins auf Platz zwei hinter Borussia-Held und Weltmeister Berti Vogts (74/528 Spiele). Welche Faktoren haben dich aus heutiger Sicht so erfolgreich gemacht?

Uwe KampsUwe Kamps Ich glaube, dass ich Dinge schnell adaptiert und anschließend ganz gut hinbekommen habe, und das ohne große Unterstützung. So habe ich mir von Uli Sude und von anderen Torhütern bei den wenigen Angeboten wie in der Sportschau oder dem Aktuellen Sportstudio Dinge abgeschaut und in mein sportliches Package aufgenommen. Geholfen haben mir zudem mein Ehrgeiz und der Wille, unbedingt in das Tor zu wollen, auch wenn dort seit vielen Jahren einer zwischen den Pfosten stand und einige Dinge besser konnte als ich. Aber ich wollte immer den Vorsprung aufholen und auf meine Chance hinarbeiten, trotz aller Widrigkeiten.

Artur StopperArtur Stopper Während deiner aktiven Zeit gab es noch kein wirkliches Torwarttraining. Wie muss man sich eigentlich die Ausbildung von Torhütern zur damaligen Zeit vorstellen, oder wie hast du das Torwartspiel gelernt?

Uwe KampsUwe Kamps Wir haben viel durch Abschauen gelernt oder auf dem einfachsten Weg, nämlich sich ins Tor zu stellen und Bälle zu halten. Ich hatte zudem das Glück, in der Jugend beim BV 04 einen Jugendtrainer zu haben, der sich schon mit dem Torwartdasein auseinandersetzte. Beim Fallen zur linken Seite war ich bereits sehr gut, hatte aber auf der rechten Seite Probleme im Bewegungsablauf. Deshalb kam der Jugendtrainer früher zum Training und ging mit mir in die Schulsporthalle, wo wir glücklicherweise Zutritt hatten, weil mein Vater Hausmeister war. Mit Hilfe der weichen, blauen Matten haben wir dann das richtige Fallen auf meiner schwachen Seite geübt. Irgendwann funktionierten beide Seiten ähnlich gut. Dieses Aha-Erlebnis konnte ich dann für meine weitere Laufbahn mitnehmen. In der Anfangsphase meiner Profizeit habe ich einige Tipps von Uli Sude bekommen und angenommen. Ansonsten wurde mir von den Trainern nur mit auf den Weg gegeben, dass ich im 5-m-Raum den Ball haben muss und der Ball nicht in der kurzen Ecke einschlagen darf. Das waren die Kernaussagen. Zum Glück hatten wir in Gladbach damals noch Karl-Heinz Drygalsky, der von der Sporthochschule in Köln kam und mit uns im Athletikbereich mit Sprüngen arbeitete, so dass wir in diesem Bereich gut entwickelt waren.

Artur StopperArtur Stopper Deine Profi-Karriere hat bei dir einige körperliche Spuren hinterlassen. Du musstest mehrerer Knie- und Hüftoperationen über dich ergehen lassen. Ist dieser körperliche Verschleiß eine Folge unzureichender medizinischer Betreuung in früheren Zeiten oder hinterlassen 22 Profijahre einfach Spuren am Körper?

Uwe KampsUwe Kamps Zweifellos haben allein schon die vielen Profijahre Spuren hinterlassen. Man trainierte früher einen Tick einfacher und intensiver und hat auch Dinge gemacht, die man in dieser Intensität und Häufigkeit nicht hätte machen sollen. Da hat sich in der Trainingslehre einiges verändert. Natürlich ist auch in der medizinischen Betreuung und bei der Nachversorgung von Verletzungen vieles verbessert worden. Verletzungen werden heute ernster genommen und im Heilungsprozess beobachtet. In meiner aktiven Zeit war das anders. Wenn man umgeknickt war, stellte man den Fuß gefühlt eine Nacht ins Eiswasser und hoffte, dass er am nächsten Morgen halbwegs abgeschwollen war, um weiter trainieren zu können. Das war ein bisschen selbst durchkämpfen. Wir hatten einen Physiotherapeuten, Ärzte waren in der Regel nur beim Spiel anwesend. Hatte man eine Verletzung, waren die Wege zum Arzt oder ins Krankenhaus immer weit, so dass eine schnelle Erstversorgung nur selten möglich war. So sah unsere medizinische Betreuung damals aus. Trotzdem war diese Zeit im Nachhinein für mich keine schlechte Schule, weil man gelernt hat, mit Widrigkeiten umzugehen und körperlich recht stabil zu werden. Aber nicht nur der Profisport hinterlässt körperliche Spuren, auch andere berufliche Tätigkeiten führen zu körperlichen Schädigungen, sei es durch ständiges Sitzen oder durch harte körperliche Arbeit.

Artur StopperArtur Stopper Nach dem Ende seiner Spielerlaufbahn hast du das Torwarttraining im Profiteam bei Borussia Mönchengladbach. In dieser Zeit entwickelte sich Marc-André ter Stegen 2012 zum Nationalspieler. Wie früh erkennt man eigentlich, dass ein Nachwuchstorhüter ein Großer werden könnte?

Uwe KampsUwe Kamps Marc-Andre war schon immer recht speziell. Als ich immer mal wieder mit den U17 und U19 Torhütern trainierte, war er im Hintergrund mit der U15 auf dem Kunstrasen tätig. Man konnte bereits erkennen, dass er schon ziemlich gut ist. Deshalb haben wir ihn im folgenden Jahr als U16-Torhüter zur älteren Gruppe hinzugenommen. Bei hohen Bällen hatte er von der Körperlichkeit her noch seine Probleme, an diesen Themen haben wir gearbeitet. Fußball spielen hingegen konnte er schon immer. Das lag daran, dass er zunächst eigentlich Feldspieler war. Weil er als Feldspieler keine Zukunft in Gladbach hatte, wechselte er auf die Torhüter-Schiene und brachte dort sein fußballerisches Können ein. Heutzutage ist es immer wieder eine Freude für mich, ihm bei seinen Spielen zuzuschauen. Da freut man sich im Nachgang, dass wir damals einiges auf den Weg bringen konnten.

Artur StopperArtur Stopper Welche Eigenschaften haben Marc-Andre ter Stegen zu dem gemacht, was er heute ist?

Uwe KampsUwe Kamps Vor allem sein Ehrgeiz und Wille, und auch immer den Antrieb zu haben, spielen zu wollen. Hinzu kommt, dass er mental sehr stark ist. Er hat im Spiel den Mut, etwas noch einmal zu machen, auch wenn es zuvor schief gegangen war, einfach drin zu bleiben im Spiel. Das ist ein besonderes Talent. Auch er hat am Anfang seiner Karriere ein paar Dinge erlebt, die nicht immer optimal gelaufen waren, man denke nur an seine ersten Einsätze in der Nationalmannschaft. Dass er solche Tiefschläge wegsteckt, ist eine Gabe, die er mitgebracht hat. Das kann man nicht erlernen.

Artur StopperArtur Stopper Sicherlich verfolgst du die aktuelle Diskussion um die fehlenden Zentimeter bei deinem ehemaligen Schützling Yann Sommer. Du selbst warst auch nur 1,80 m groß. Wird die Bedeutung der Größe von Torhütern überschätzt?

Uwe KampsUwe Kamps Das ist zunächst eine Geschmacksfrage. Wir im Verein haben mit der Größe eines Torhüters kein Problem. Bei uns geht es ausschließlich um die Frage, ob ein Torhüter gut ist. Klar machen die fehlenden Zentimeter im ein oder anderen Fall mal etwas aus, dafür sind ein paar andere Qualitäten, wie bei Yann Sommer das Abkippen, so überragend gut, dass sie den Größennachteil ausgleichen. Diese Qualität bekommt ein groß gewachsener Torhüter nicht so hin wie er. Hinzu kommt, dass Yann Sommer bei uns kaum einen Fehler gemacht hat, fast keinen Fehlpass gespielt hat, im Spielaufbau mega sicher war und dazu noch gut gehalten hat. Sicherlich ist Yann in der Raumverteidigung nicht der Mutigste, aber das, was er machen musste, hat er gemacht. Vom Gesamtpaket her ist Yann schon ein interessantes Package. Im Vergleich zu dem, wie er über Jahre in Gladbach gespielt hat, hat mich überrascht, dass ihn den Wechsel zu Bayern München offensichtlich etwas aus der Ruhe gebracht hat. Er musste Tore hinnehmen, die er in Gladbach möglicherweise noch verhindert hätte. Aber Yann hat auch bei vielen Spielen auf internationalem Parkett über Jahre bewiesen, dass er ein großartiger Torhüter ist und die Größe keine Rolle spielt. Vielleicht hat er die Wucht unterschätzt, die bei Bayern München nach Fehlern aufkommt. Ich hoffe für ihn, dass er zumindest die Meisterschaft gewinnen kann, weil er für mich auch mit 1, 82 m ein sehr guter Torhüter ist.

Artur StopperArtur Stopper Deutschland galt immer schon als Torwartland, das großartige Torhüter hervorbrachte. Nach der goldenen Ära Neuer, ter Stegen, Leno und Trapp beklagen viele Experten ein Leistungsloch bei nachfolgenden Torhütern, trotz nie zuvor dagewesener Intensität bei der TH-Ausbildung in den NLZ. Siehst du die Zukunft genauso pessimistisch?

Uwe KampsUwe Kamps Ein Paradebeispiel für eine gute Entwicklung ist aktuell Mainz 05. In ihrer Philosophie ist klar verankert, dass sie für Torhüter kein Geld ausgeben wollen, sondern diese selbst entwickeln. Diese Philosophie ist in den letzten Jahren auch gelebt worden. Alle ihre Torhüter haben sie selbst entwickelt und teilweise gut verkauft. Interessant ist, dass die Torhüter in ihrem Profil, z.B. in der Größe oder im Körperbau, völlig unterschiedlich sind. In Mainz haben die Keeper aber die Plattform und wissen, dass sie spielen. Nur dadurch können sie sich gut entwickeln und beweisen, dass sie Bundesliga spielen können. Wenn Torhüter diese Plattform nicht bekommen, wird es schwierig für ihre weitere Entwicklung. In früheren Zeiten wurden z.B. beim 1. FC Kaiserlautern unter Gerry Ehrmann Torhüter wie Sippel, Weidenfeller, Wiese, Fromlowitz oder Trapp vor allem durch finanzielle Zwänge selbst entwickelt und bekamen Spielpraxis. Später wechselten sie für gutes Geld zu anderen Vereinen. Die Beispiele Mainz und Kaiserslautern zeigen, dass diese Wege funktionieren. Das Problem im Spitzenfußball heutzutage ist, dass ein großes Sicherheitsdenken entstanden ist. Die Vereine müssen sich wieder trauen, den gut ausgebildeten Jungs eine Chance zu geben, auch wenn der Druck von außen riesig ist und es ein paar Dellen geben kann. Selbst erfahrene Torhüter haben manchmal bei einem Vereinswechsel große Schwierigkeiten, sind den neuen Gegebenheiten anzupassen und im neuen Verein anzukommen. Diese Eingewöhnungszeit muss man jungen Torhütern auch zugestehen. Vielleicht passieren einem erfahrenen Torhüter weniger Fehler als einem jungen, aber die Anzahl an Fehlern wird kleiner sein, als von manchen vermutet wird. Stattdessen gehen viele Vereine dazu über, Torhüter aus Ländern zu holen, in denen Torhüter nach einer guten Ausbildung auch in den Erstligaklubs spielen. Diese Torhüter sind in der Entwicklung weiter, weil sie bereits einige Jahre Erfahrung mitbringen und 100 und mehr Erstligaspiele hinter sich haben. Sie haben diese Plattform bekommen, die wir unseren Nachwuchstorhütern in Deutschland nur in sehr geringem Maße anbieten. In Deutschland hingegen bleiben wir in der Schleife, 25-jährige oder noch ältere Torhüter mit einiger Erfahrung aus anderen Ländern zu holen. Weil die Anforderungen an Torhüter immer höher werden und die Ausbildung in der NLZs immer anspruchsvoller wird, müssten die deutschen Nachwuchstorhüter eigentlich genug Potenzial mitbringen, um in der Bundesliga bestehen zu können.

Artur StopperArtur Stopper Wie lange muss Deutschland noch warten, bis Borussia Mönchengladbach dem DFB wieder einen Marc-Andre ter Stegen als Nationaltorhüter anbieten kann?

Uwe KampsUwe Kamps (lacht) Das hängt natürlich von den Gegebenheiten ab, die wir besprochen haben. Ich hoffe, dass wir in naher Zukunft wieder dahin kommen, Nachwuchstorhütern die Plattform Erstligafußball zu bieten. Im Moment haben wir bei der Borussia ein Package von vier bis fünf Torhütern im Verein, von denen wir die Überzeugung haben, dass sie sich für höhere Aufgaben entwickeln könnten. Wir arbeiten im Torwarttrainer-Team mit Hochdruck daran, diese Jungs für die Positionen drei bis eins im Profiteam durchzubringen.

Interview Uwe Kamps Borussia Mönchengladbach 1. Bundesliga

Artur Stopper

Artur Stopper

Mit über 25 Jahren Erfahrung als Torwarttrainer weiß Artur, wie Torhüter ticken. Deshalb bevorzugt er Themen, die die Welt der Torhüter ausmachen: Vereinswechsel, Tiefschläge, Pechsträhnen, Höhenflüge, Emotionen, Ersatzbank, Halbgötter, Erfolge.

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