Jahrelang galt Christian Früchtl als eines der größten Torhütertalente in Deutschland. Seit 2015 hatte er alle DFB-Jugendnationalmannschaften durchlaufen. Mit bereits 17 Jahren rückte er im Sommer 2017 als dritter Torhüter in den Profikader der Bayern auf. Um Spielpraxis auf höherem Niveau zu erhalten, wurde Christian Früchtl zur Saison 2020/21 für ein Jahr an den Zweitligisten 1. FC Nürnberg ausgeliehen, konnte sich aber beim Club gegen seine Konkurrenten nicht durchsetzen und kehrte ohne Pflichtspieleinsatz nach München zurück. Seit der Saison 2022/23 steht er nun beim österreichischen Erstligisten Austria Wien unter Vertrag und verpasste bisher keine Spielminute. Goalguard hat sich mit Christian Früchtl über seine Vergangenheit bei den Bayern und beim Club sowie seiner aktuellen Situation bei Austria Wien unterhalten.
Artur Stopper Christian, U21-Nationaltrainer Antonio Di Salvo hat dich erstmals seit rund drei Jahren wieder für eine deutsche Auswahl nominiert. Warst du überrascht oder hast du nach deinen guten Leistungen bei der Austria insgeheim damit gerechnet?
Christian Früchtl Überrascht war ich nicht, da es bei der Nominierung der U21-Nationalmannschaft ja um Leistung geht. In der Zeit beim 1. FC Nürnberg hatte ich keine Spieleinsätze, und nach meiner Rückkehr zu Bayern München saß ich als dritter Torhüter meist auf der Bank und kam auch in der zweiten Mannschaft der Bayern nicht zum Einsatz, weil ich am Wochenende bei den Profis mit dabei war. Deshalb war klar, dass ich in der Nationalmannschaft ohne Spielpraxis keine Rolle spielen würde. Durch den Wechsel zu Austria Wien, wo es aktuell für mich sehr gut läuft, war absehbar, dass der Weg zurück zur Nationalmannschaft leichter gelingen würde.
Artur Stopper Weil du bei deinem Ausbildungsverein Bayern München keine Zukunft mehr hattest, hast du dich zu Beginn dieser Saison dem österreichischen Bundesligisten FK Austria Wien angeschlossen. Was hat dich zum Schritt gerade in die erste Liga Österreichs bewogen?
Christian Früchtl Um Spielpraxis zu sammeln, bietet die erste Liga Österreichs einige Vorteile. Weil z.B. der Fokus nicht ganz so auf einen gerichtet ist wie in den deutschen Profiligen, kann man sich ruhig entwickeln, ohne aber unter dem Radar zu verschwinden.
Artur Stopper Bei deiner ersten Leihe an den Zweitligisten 1. FC Nürnberg in der Saison 2020/21 bist du nicht glücklich geworden und hast den Club ohne Pflichtspieleinsatz wieder verlassen. Bei Austria Wien hingegen bist du sofort zum Stammkeeper avanciert und hast bisher noch keine Pflichtspielminute verpasst. Was ist bei dem Wechsel nach Wien anders gelaufen als beim Wechsel nach Nürnberg?
Christian Früchtl Zum einen ist es dieses Mal keine Ausleihe, sondern eine Festanstellung. Ich habe einen Vertrag bis 2025 unterschrieben. Zum anderen habe ich dieses Mal mein Hauptaugenmerk verstärkt darauf gelegt, dass ich bei einem Wechsel auch die Nummer eins im neuen Verein sein werde. Dieses Versprechen wurde mir von den Verantwortlichen der Austria klar zugesichert. Aber letztendlich geht es immer um Leistung. Wenn ich diese in Wien nicht gebracht hätte, würde ich auch nicht spielen. Fußball ist ein Leistungssport.
Artur Stopper Deine Torwartkarriere hat enorm erfolgreich gestartet. Bereits mit 17 Jahren hast du ab dem Sommer 2017 bereits mit 17 Jahren dem Profi-Kader der Bayern angehört. Waren die Erwartungen an dich und in dir selbst möglicherweise zu groß?
Christian Früchtl Die Erwartungen wurden nicht von mir hochgepusht, sondern von den Medien formuliert. Ich hatte in dieser Zeit sehr gut trainiert und mich deshalb bereits mit 15 Jahren für die Teilnahme am Wintertrainingslager empfohlen. Auf das, was die Medien dann daraus machten, hatte ich keinen Einfluss. Das heißt aber nicht, dass der Zug bereits abgefahren ist für mich. Ich möchte irgendwann wieder nach Deutschland zurückkommen und dort meine Leistung bringen. Manchmal muss man aber Umwege gehen, um den richtigen Weg zu finden.
Artur Stopper Wie bereits angesprochen, hast du mit gerade mal 15 Jahren bereits 2016 im Winter-Trainingslager in Doha am Trainingslager der Profimannschaft des FC Bayern München teilgenommen. Wie erlebt man eigentlich als 15-Jähriger die Situation, mit dem damaligen Welttorhüter zu trainieren und die Schüsse von Weltstars abzuwehren?
Christian Früchtl Das ist natürlich etwas ganz Besonderes. Trotzdem hatte ich diese Situation im damaligen Alter nicht als so krass wahrgenommen. Erst wenn ich heute darüber nachdenke, wird mir bewusst, was ich mit 15 schon geleistet haben muss, um dort überhaupt dabei zu sein. Diese Einladung muss man sich zuerst verdient haben. Aber natürlich war die Zeit bei Bayern München ganz allgemein eine sehr prägende Zeit für mich. Unsere Torwartgruppe mit Manuel Neuer, Sven Ulreich und Torwarttrainer Toni Tapalovic war ein sehr gut funktionierendes Team. Jeder kannte seine Rolle, und auch privat haben wir uns sehr gut verstanden. Es war eine sehr schöne Zeit für mich.
Artur Stopper Immer wieder betonen Fußball-Experten, wie wichtig Spielpraxis für einen jungen Torhüter ist. Würdest du dich mit dem heutigen Wissen früher für einenm Wechsel zu einem Klub entscheiden, wo du regelmäßig spielst, anstatt bei Bayern München häufig auf der Bank zu sitzen?
Christian Früchtl Natürlich möchte man spielen. Ich habe ja bereits mit 20 Jahren die Bayern in Richtung Nürnberg verlassen, um Spielpraxis zu bekommen. Man muss immer darauf warten, bis sich eine Chance auftut, denn es ist keine Selbstverständlichkeit in der Bundesliga, dass ein Verein auf einen so jungen Torhüter setzt. Da muss sehr viel zusammenkommen, um das Ziel Spielpraxis zu erreichen.
Artur Stopper Du hattest das Privileg, bereits in sehr jungen Jahren mit dem damaligen Welttorhüter zu trainieren. Du sagtest einmal, dass Neuer für dich der „wichtigste Bezugspunkt“ gewesen sei, weil er dir viele Tipps gegeben hat und du dir einiges von ihm abschauen konntest. Welche Blicke auf Neuer und Tipps des Nationaltorhüters haben dir besonders geholfen?
Christian Früchtl Manuel Neuer war sicherlich ein wichtiger Bezugspunkt für mich. Noch entscheidender für meine Entwicklung war aber Torwarttrainer Toni Tapalovic, der mit mir sehr viele Videoanalysen gemacht hat. Am Anfang war es gefühlt nach jedem Training (lacht). Selbstverständlich gibt einem der Torwarttrainer mehr Tipps oder verändert Details wie beispielsweise die Fußstellung. Aber wenn Manu etwas an mir aufgefallen ist, hat er mich darauf hingewiesen, um mir zu helfen. Zudem haben wir uns in der Torwartgruppe zusammen mit Ulle immer gegenseitig gecoacht und gepusht.
Artur Stopper Dein großes Ziel ist immer noch, irgendwann Manuel Neuer im Tor des FC Bayern zu beerben. Wie realistisch ist dieses Ziel?
Christian Früchtl Diese Aussage von mir wird ohne mein Zutun immer wieder aufgegriffen. Sicherlich wird jeder Torhüter in Deutschland das auch wollen. Bei mir wird das eben anders aufgenommen, weil ich bereits bei Bayern München war. Aber was ist realistisch im Leben? Man muss sich alles hart erarbeiten. Ich gehe jetzt meinen Weg in Österreich bei Austria Wien, versuche dort erfolgreich zu sein und meine Leistung zu bringen. Was dann daraus erwächst, wird die Zukunft zeigen. Ich muss mit mir im Reinen sein, dass ich alles gegeben habe und alles geben werde, dann werden wir sehen, was dabei herauskommt.
Artur Stopper Christian, wir wünschen dir eine sportlich erfolgreiche Zeit bei Austria Wien und würden uns freuen, dich in absehbarer Zeit wieder in der deutschen Bundesliga zu sehen.