Seit dem Sommer 2021 ist Sven Höh für die Profi-Torhüter des Hamburger SV zuständig. Zuvor arbeitete der gebürtige Kaiserslauterer zwölf Jahre lang für seinen Heimatverein 1. FC Kaiserslautern. Ab 2009 war er bei den „Roten Teufel“ hauptverantwortlicher Torwarttrainer für das Nachwuchsleistungszentrum. Er trainierte den Übergangsbereich und war verantwortlich für die Torwart-Ausbildungsphilosophie und das Torwartscouting. Im Februar 2020 rückte er dann fest als Torwarttrainer zur ersten Mannschaft auf. Nach nun fast drei Jahren beim HSV verlängerte Sven vor kurzem seinen Vertrag bei den Hanseaten langfristig.
Goalguard hat sich mit Sven über die Gründe für die Vertragsverlängerung beim HSV, über das spezielle Torwartspiel der Hamburger unter Tim Walter und die Veränderungen unter dem neuen Chefcoach Steffen Baumgart, über sein zeitweises Engagement bei der türkischen Nationalmannschaft sowie den Aufstiegschancen des HSV unterhalten.
Artur Stopper Sven, vor knapp 3 Jahren bist du als Torwarttrainer zum Hamburger SV gekommen. Vor kurzem hast du deinen Vertrag beim Hamburger SV langfristig verlängert. Du scheinst dich in Hamburg wohlzufühlen …
Sven Höh Absolut! Nach mehr als zwölf schönen und im Hinblick auf die Torwartausbildung auch erfolgreichen Jahren in Kaiserslautern war mir klar, dass ein Wechsel nur dann in Frage kommt, wenn es beim neuen Verein inhaltlich und auch von den handelnden Personen her zu 100 Prozent passt. Dies war und ist beim HSV der Fall. Wir haben in der Torwartabteilung die wichtigsten Grundsteine, auch im Hinblick auf das Nachwuchsleistungszentrum, gelegt. Jetzt geht es darum, diese mit der nötigen Kontinuität weiter zu festigen und auszubauen. Ich lebe den Verein und verfolge meine Aufgaben jeden Tag mit voller Leidenschaft, um zum Erreichen unserer Ziele beizutragen.
Artur Stopper Trotz eines Angebots von Borussia Mönchengladbach bist du beim HSV geblieben. Was waren die Gründe für deine Entscheidung, ein Erstliga-Angebot abzulehnen und stattdessen weiterhin bei den Hanseaten zu bleiben?
Sven Höh Über etwaige Angebote oder andere Möglichkeiten möchte ich mich im Detail nicht äußern. Mir ist grundsätzlich eine bodenständige Beurteilung von dem, was man hat, und auch von dem, was man woanders angeboten bekommt, enorm wichtig. Daher ist jede Anfrage erstmal eine enorme Wertschätzung und nicht selbstverständlich. Ich glaube, im Fußball wird Kontinuität oft gepredigt, es ist aber enorm wichtig, diese dann auch zu leben. Wenn du im Verein etwas aufbauen möchtest, dann ist Kontinuität entscheidend. Es ist kein Geheimnis, dass ich irgendwann gerne in der ersten Liga arbeiten würde - und ich arbeite mit meinen Kollegen jeden Tag darauf hin, dies mit dem HSV zu erreichen.
Artur Stopper Sportvorstand Jonas Boldt hat bei der Vertragsunterzeichnung deine Arbeit sehr gelobt: „Er hat mit seiner Art und seiner Idee des modernen Torhüterspiels unsere Keeper auf ein neues Niveau gehoben.“ In welchen Bereichen hast du die Keeper am meisten entwickelt und deine Vorstellungen vom Torwartspiel besonders eingebracht?
Sven Höh Es freut mich sehr, dass meine Arbeit gesehen, wertgeschätzt und unterstützt wird. Das Lob gebe ich gerne an die Vereinsverantwortlichen und auch an meine Trainerkollegen zurück. Um gute Arbeit zu leisten, brauchst du nicht nur eine klare inhaltliche Idee, sondern auch entsprechende Strukturen und Personen, die dir die nötige Entscheidungsfreiheit geben. Ich glaube, dass du heutzutage im Offensivspiel wie im Defensivspiel ein komplettes Torwartspiel benötigst. Schwer, das hier kurz und knapp darzustellen. Heruntergebrochen und vereinfacht kann man sagen, dass man im Defensivspiel einen brutalen Willen braucht, das Tor zu verteidigen. Hierzu gehört auch, mit viel Mut den Raum zu verteidigen. Zudem braucht es auch fußballerische Qualität und Spaß im Offensivspiel. Inhaltlich geht es dann im Trainingsalltag um zahlreiche Details, die wir analysieren und an denen wir täglich arbeiten.
Artur Stopper Bis zu seiner Entlassung Mitte Februar hast du mit Cheftrainer Tim Walter zusammengearbeitet, dessen Spielphilosophie für Spektakel, Mut und Risiko stand. Zeit online schrieb vor etwa einem halben Jahr: „Sein Aufbauspiel etwa, in das der Tormann involviert ist, ließe sich gut mit avantgardistisch beschreiben.“ Was war an eurem Aufbauspiel besonders fortschrittlich oder sogar revolutionär und welche Aufgaben übernahm der Torhüter dabei?
Sven Höh Grundsätzlich steht Tim erstmal für einen klaren Plan und eine klare Spielidee. Als Torwarttrainer, und sicherlich auch in anderen Co-Trainer-Funktionen, ist unter anderem eine hohe Anpassungsfähigkeit entscheidend. Das Offensivspiel des Torhüters ist mit Sicherheit eine Besonderheit in der Spielweise von Tim. Die Herausforderung im Spiel ist, dass du als Torwart ein gutes Spielverständnis brauchst, um etwaige Ballverluste abschätzen zu können und dann schnell in eine defensivere Position zu kommen. Das erfordert im Spiel sicherlich eine höhere Laufleistung und den ein oder anderen Sprint mehr in der Partie. Zudem hast du eine deutlich erhöhte Anzahl an Ballaktionen im Spiel.
Artur Stopper Seit Mitte Februar hat nun Steffen Baumgart das Zepter beim HSV übernommen. Welche Spielweise wird er beim HSV implantieren und was bedeutet diese Änderung für das Torwartspiel beim HSV?
Sven Höh Steffen hat eine enorm positive Energie in sich, welche er auf die Mannschaft überträgt. Er zündet die Mannschaft an. Für ihn und uns geht es jeden Tag darum, uns weiter zu verbessern. Inhaltlich gibt es viele Überschneidungen, um weiter die Qualitäten unserer Mannschaft im Ballbesitz nutzen zu können. Vom reinen Torwartspiel ist die Positionierung im Spiel etwas tiefer als zuvor. Dies gibt den Torhütern im Umschaltspiel etwas mehr Ruhe und die Anzahl an Ballkontakten nimmt etwas ab, da wir zielstrebiger nach vorne spielen. Trotzdem bleibt das Torwartspiel und die damit verbundene Verantwortung in weiten Teilen gleich.
Artur Stopper Im vergangenen September hast du kurzzeitig auch die türkische Nationalmannschaft unterstützt. Wirst du diese Nebentätigkeit auch in Zukunft beibehalten?
Sven Höh Stefan Kuntz hatte mich damals angefragt. Es war vor allem eine unfassbare Erfahrung und Wertschätzung, für eine A-Nationalmannschaft tätig sein zu dürfen. Die Tätigkeit war klar an Stefan Kuntz gebunden und durch dessen Freistellung dann auch nicht mehr gegeben. Bei der EM-Qualifikation dabei sein und internationale Spiele begleiten zu dürfen, war für mich eine große Erfahrung, welche mich in meiner Entwicklung enorm geprägt hat.
Artur Stopper Am Ende der vergangenen Saison 2022/23 hat der HSV die ersehnte Rückkehr in die erste Bundesliga und damit in die Beletage des deutschen Fußballs bereits im fünften Anlauf verpasst. Wie groß siehst du die Chancen, am Ende dieser Saison dieses Ziel zu erreichen?
Sven Höh Ich bin jetzt im dritten Jahr hier und sehe Tag für Tag, wie fleißig und hart hier gearbeitet wird. Daher glaube ich fest daran, dass wir unser Ziel erreichen werden.
Artur Stopper Sven, ich bedanke mich, dass du dir Zeit für Goalguard genommen hast, und drücke dir die Daumen, dass ihr euer gestecktes Ziel, nämlich den Aufstieg in die erste Bundesliga, erreichen werdet.