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Seit 2022 ist Michael Müller nach dem Abgang von Andreas Kronenberg zur deutschen Nationalmannschaft für die Betreuung der Profi-Torhüter beim SC Freiburg zuständig. Bereits seit 2014 arbeitete er als Torwarttrainer und Torwart-Koordinator im NLZ der Breisgauer. Während seiner aktiven Zeit spielte er bei SC Freiburg II, beim 1. FC Saarbrücken und VfL Wolfsburg II, bevor er mit 25 Jahren ins Trainergeschäft wechselte.

Aktuell betreut er unter anderen mit Noah Atubolu den U21-Nationaltorhüter und eines der hoffnungsvollsten Torwarttalente in Deutschland. Daneben gehören mit Florian Müller und Jannik Huth zwei ehemals bei Mainz 05 ausgebildete Torhüter zum Torwarttrio der Freiburger.

Goalguard hat sich mit Michael über die sportliche Entwicklung von Atubolu, den Umgang mit sozialen Medien bei jungen Torhütern, die spezielle Freiburger DNA sowie die gestiegenen sportlichen Erwartungen bei den Freiburger Anhänger unterhalten.

Artur StopperArtur Stopper Der SC Freiburg absolvierte bereits zum 18. Mal sein Trainingslager in Schruns. Euch scheint es im Montafon zu gefallen. Was schätzt ihr an Schruns?

Michael MüllerMichael Müller Die Frage beantwortet sich von selbst, wenn wir mal den Blick von unserem Sitzplatz aus über das wunderbare Panorama schweifen lassen, das uns umgibt. Aber auch die Sportanlagen sind hervorragend. Angenehm ist zudem, dass der Anfahrtsweg für uns von Freiburg aus nicht so weit ist und wir bei Bedarf mit wenig Aufwand ein Spieler nachreisen oder bei Verletzung wieder abreisen lassen können. Kurz gesagt: Wir haben hier Top-Bedingungen und super Ansprechpartner, die immer versuchen, alles für uns möglich zu machen. In unserem Hotel stehen uns vielfältige Möglichkeiten zum Krafttraining oder zur Regeneration zur Verfügung. Wir sind umgeben von vielen netten Leuten, die sich ständig um uns kümmern und uns optimale Bedingungen bieten. Dass wir bereits seit so vielen Jahre hier sind, spricht ja für sich.

Artur StopperArtur Stopper Etwas verspätet ist Noah Atubolu, der zuletzt bei der kürzlich zu Ende gegangenen U-21-EM für die deutsche Nationalmannschaft im Einsatz war, nach Schruns nachgereist und in die Vorbereitung eingestiegen. Wie hast du als sein Heimtrainer seine Leistungen bei der EM gesehen und bewertet?

Michael MüllerMichael Müller Ich habe sehr positiv wahrgenommen, wie er sich während des Turniers und in den Spielen präsentiert hat. Er hat nahtlos an seine Leistungen in der vergangenen Bundesliga-Saison angeknüpft, in der er sich im Saisonverlauf immer weiter verbessert und stabilisiert hat, und sein Können in seiner Altersstufe auf höchstem Niveau bei der EM unter Beweis gestellt. Außerdem hat man gespürt, dass er die Misserfolge bei der EM zuvor, die für die Mannschaft und für ihn nicht so gut verlaufen ist, nicht noch einmal wiederholen wollte. Mit Sicherheit ist er erwachsener geworden und in seinem Team vorangegangen. Für unseren Verein war es toll zu sehen, wie sich auch unsere anderen Jungs aus Freiburg präsentiert haben.

Artur StopperArtur Stopper Atubolu besticht durch seine stoische Ruhe, auch in Drucksituationen. Entspricht diese Ruhe seinem Naturell, ist sie ihm also in die Wiege gelegt, oder kann man diese Gelassenheit im Training entwickeln?

Michael MüllerMichael Müller Ich glaube, dass sich der moderne Torwarttyp grundsätzlich gegenüber Torhütern aus der Vergangenheit und Vorbildern aus meiner aktiven Zeit verändert hat. In früheren Zeiten waren die Torhüter eher extrovertierte Typen. Heute sieht man im Tor eher nüchterne Torhüter wie z.B. ter Stegen, Donnarumma oder Courtois. Auch Noah hat diese extrovertierte Art nicht in sich. Er ist eher ein ruhiger Typ, der aber sagt, was er denkt und was ihn beschäftigt. Verstärkend kommt hinzu, dass wir in der täglichen Arbeit Wert legen auf eine gewisse Kontrolle und Ruhe in den Aktionen. Insofern ist es ein Mix aus seiner Persönlichkeit, die er mitbringt, und unserer Spielphilosophie.

Artur StopperArtur Stopper Atubolu hatte in seiner Anfangszeit als Nummer eins in Freiburg in der Öffentlichkeit keinen leichten Stand. Ihm wurde wiederholt vorgeworfen, ein Unsicherheitsfaktor zu sein, inklusiver rassistischer Untertöne oder direkter Beschimpfungen. Wie habt ihr es geschafft, den damals erst 21-Jährigen mental stabil zu halten?

Michael MüllerMichael Müller In erster Linie müssen das die Jungs immer selbst schaffen. Unsere Aufgabe als Trainer ist, ein Umfeld zu schaffen, in dem sie ihren Weg nach oben gehen können. Im Ende sind sie immer allein mit ihren Eltern, Freunden oder Freundinnen, und müssen mit dem ganzen Müll umgehen. In der Zeit, als Noah angegriffen wurde, hatten wir mit Christian Streich einen Cheftrainer, der nach meiner Meinung dazu in der Öffentlichkeit sehr gute und deutliche Worte gefunden hat. Man sagt oft, der Fußball sei ein Spiegelbild der Gesellschaft. Die sozialen Medien sind nicht immer gesund und fair, weil manche Leute nicht mit Anstand damit umgehen können. Noah hat in dieser Zeit eine starke Persönlichkeitsentwicklung durchgemacht. Es war nicht einfach für ihn, diesen schwierigen Weg zu durchschreiten. Man kann nur den Hut vor ihm ziehen, wie er in diesen jungen Jahren damit umgegangen ist. Neben negativen Erlebnissen musste er aber auch lernen, mit positiven Schlagzeilen umzugehen. Schon bevor er zur Nummer eins in Freiburg aufstieg, sahen manche in ihm bereits den kommenden Neuer-Nachfolger, was das andere Extrem ist. Mit zu unserer Aufgabe gehört es deshalb, dem Jungen zu helfen, dass er seine Leistungen selbst richtig einzuschätzen lernt und wir ihn auf diesem Weg mit maximaler Ehrlichkeit und Offenheit unterstützen und nichts beschönigen. Alles andere muss man ausblenden, so gut es geht, und zusammen eine Einheit bilden.

Artur StopperArtur Stopper Die bedingungslose Rückendeckung, das Festhalten an jungen Spielern trotz Rückschlägen und der Mut, sie überhaupt einzusetzen, gehören inzwischen zur DNA des Vereins. Mit den Erfolgen (Platz 5, Teilnahme an Europa League) steigen auch die Erwartungen der Fans. Wird es dadurch schwieriger für die Verantwortlichen, an diesem Weg mit Risiken weiter festzuhalten?

Michael MüllerMichael Müller Da muss man die Verantwortlichen fragen … (lacht) Unser Weg, oder wie man sagt die „Freiburger DNA“, hat nicht immer nur mit jungen Spielern zu tun. Mark Flekken etwa war bereits 27 Jahre alt, als er zur Nummer eins in Freiburg aufstieg. Bei uns geht es um den Versuch, Potentiale bestmöglich zu erkennen und einzuschätzen, darauf zu vertrauen und daran zu arbeiten, dass sich diese Potenziale entwickeln können. Das hat bei uns in der Vergangenheit recht gut geklappt. Zu diesem Weg gehört aber auch, den ein oder anderen Fehler, das ein oder andere schwache Spiel oder eine Situation, die nicht so gut gelaufen ist, miteinzubeziehen und zu akzeptieren. Mit den Erfolgen der letzten Jahre wird das zweifellos immer schwieriger. Denn die Ansprüche an unsere Jungs werden mit den Erfolgen immer höher und die Erwartungshaltung, jedes Jahr die Europa League zu erreichen, steigen auch in Freiburg. Man sollte sich aber immer vor Augen führen, dass die Teilnahme an internationalen Wettbewerben für uns jedes Mal etwas Besonderes bleibt und es völlig ok ist, wenn man dieses Ziel nicht erreicht, dafür aber vier bis fünf Spieler an ein Niveau herangebracht hat, dass man die Erfolge vielleicht mal wieder auf eine gesunde Art und Weise für den Verein erreichen kann.

Artur StopperArtur Stopper Seit 2014 arbeitest du als Torwarttrainer beim SC Freiburg. Viele Jahre hast du im Juniorenbereich gewirkt, seit 2022 betreust du die Profitorhüter. Du warst also maßgeblich an Atubolus Entwicklung beteiligt. Ab wann hast du daran geglaubt, dass aus ihm ein Bundesligatorhüter werden könnte, und welche Hinweise haben dich zu dieser Überzeugung gebracht?

Michael MüllerMichael Müller Ich war lange im NLZ tätig und dafür sehr dankbar, weil ich früh Verantwortung übernehmen durfte, was die Torhüter anbelangt. Auch Fehler waren erlaubt, womit sich der Kreis zu unseren Spielern schließt. Ich durfte selbstbestimmt arbeiten, was ein sehr hohes Gut für mich war und immer noch ist, weil ich von der Pike auf viel lernen durfte. In diesem Zuge habe ich 2014 Noah kennen gelernt, er war damals 15 Jahre alt. Wir führten das erste Mal ein Showtraining für Torwarttrainer bei einem Partnerverein in Freiburg durch, an dem auch Noah teilnahm. Im Anschluss daran kam er zu uns ins NLZ und hat dort die Ausbildung der verschiedenen SC-Torwarttrainer zusammen mit mir genießen dürfen. Er war damals bereits groß und noch nicht so koordiniert, was ja alterstypisch in der körperlichen Entwicklung miteinander einhergeht. Er war immer ein toller Fußballer und hat dann ab der U15/U16 meist auch seinen Jahrgang übersprungen, weil man bereits damals absehen konnte, dass er einen guten Weg machen kann. Dass er jetzt Bundesligatorhüter geworden ist, war vorher nicht abzusehen. Denn ob es am Ende für Höheres reicht, hängt von vielen Einflüssen ab, die man im Vorhinein nicht bearbeiten kann, z.B. dem Einfluss der sozialen Medien, dem Umgang mit Drucksituationen oder dem Einfluss seines Umfeldes. Dass Noah aber ein großes Talent war, konnte man schon mit 15 Jahren erkennen, als er bereits in der U17 spielte.

Artur StopperArtur Stopper Eine besondere Stärke scheint Atubolu bei Elfmetern zu haben. In der Bundesliga hat er die letzten vier Strafstöße alle abgewehrt. Ist diese Qualität das Ergebnis einer guten Antizipation aus den Bewegungsabläufen des Schützen, einer überragenden Reaktionsfähigkeit, einem hohen Anteil an Glück und Zufall oder einer guten Vorbereitung des Torhüters durch die Analyse der gegnerischen Schützen durch den Torwarttrainer?

Michael MüllerMichael Müller Er hat eine gute Quote bei Elfmetern, weil er daran glaubt, dass er sie halten kann. Ich glaube schon, dass es eine gewisse Herangehensweise bei Elfmetern gibt, die Torhütern helfen. Dazu gehört z.B. die Einsicht. dass er in der Elfmetersituation nur gewinnen kann, weil die Erwartungen an ihn nicht groß sind. Dann geht der Keeper mit Überzeugung an die Aufgabe und trifft aus diesem Gefühl heraus gute Entscheidungen. Diese Überzeugung hat Noah. Aber natürlich gehört in der Vorbereitung auch dazu, sich bestimmte Abläufe anzuschauen.

Artur StopperArtur Stopper Trainiert ihr die Elfmetersituation speziell im Training?

Michael MüllerMichael Müller Die Jungs schießen nach dem Training manchmal Elfmeter, aber wir trainieren diese Situation nicht speziell.

Artur StopperArtur Stopper Die positive Entwicklung Atubolus in der vergangenen Saison und seine Leistungen bei der EM sind auch einigen europäischen Spitzenvereinen nicht verborgen geblieben. Vom Interesse der italienischen Topvereine SSC Neapel und AC Mailand sowie vom englischen Premierclub West Ham United ist zu lesen. Was würdest du ihm für seinen Weg in den nächsten Jahren raten?

Michael MüllerMichael Müller Ich finde er ist bei uns ganz gut aufgehoben. Die Entwicklung in den vergangenen beiden Jahren spricht für sich und er kommt von hier. Was in Zukunft mit ihm passieren wird, muss er selbst entscheiden. Er wäre nicht der Erste, der die Freiburger DNA irgendwann nicht mehr mitträgt und vielleicht irgendwann um Titel mitspielen und anderes erleben will. Noah ist noch zu jung dafür, um eine solche Entwicklung auszuschließen. Im Moment sind wir sehr glücklich mit ihn und ich denke, dass er das auch mit uns ist.

Artur StopperArtur Stopper Atubolu gehört zusammen mit Jonas Urbig vom FC Bayern wohl zu Deutschlands talentiertesten Keepern. Die U-21-EM konnte er bestens zur Eigenwerbung nutzen. Was fehlt ihm noch zum Schritt in die A-Nationalmannschaft?

Michael MüllerMichael Müller Das ist eine schwierige Frage. Natürlich braucht es dazu noch Erfahrung, Kontinuität in den Leistungen und die Fähigkeit, das Leistungsvermögen in wichtigen Spielen abrufen zu können. Denn in der Nationalmannschaft hat man in einem Turnier vielleicht nur vier bis fünf Spiele. Ich finde, dass wir in der Nationalmannschaft noch ganz gut aufgestellt sind und glücklich sein sollten, junge Talente mit Perspektive dahinter zu haben. Diese werden aber viel zu schnell in Rollen hineingepresst, in die sie noch nicht hineingehören und sie dann damit umgehen müssen. Ich würde mir manchmal mehr Gelassenheit und Objektivität wünschen und dass das Thema Nationalmannschaft nicht so schnell aufkommen würde. Man muss jungen Torhüter schon noch Fehler und Zeit zugestehen.

Michael, wir bedanken uns, dass du dir Zeit für uns genommen hast, und wünschen dir und dem SC Freiburg einen erfolgreichen Saisonverlauf.

Michael Müller SC Freiburg 1. Bundesliga

Artur Stopper

Artur Stopper

Mit über 25 Jahren Erfahrung als Torwarttrainer weiß Artur, wie Torhüter ticken. Deshalb bevorzugt er Themen, die die Welt der Torhüter ausmachen: Vereinswechsel, Tiefschläge, Pechsträhnen, Höhenflüge, Emotionen, Ersatzbank, Halbgötter, Erfolge.

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