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Seit dem vergangenen Sommer arbeitet Dennis Rudel als Torwarttrainer beim belgischen Erstligisten VV St. Truiden. Unter anderem trainiert er dort Daniel Schmidt, der im Kader Japans bei der WM 2022 in Katar stand. Auch Ersatztorhüter Jo Coppens ist Insidern in Deutschland durch seine Arbeit bei den ehemaligen Drittligisten FC Carl Zeiss Jena und SpVgg Unterhaching sowie dem MSV Duisburg bekannt.

Dennis Rudel bringt viel Erfahrung als Torwarttrainer mit. Seit bereits ca. 15 Jahren arbeitet er in dieser Funktion. Erste Erfahrungen sammelte er bei den Stuttgarter Kickers sowie der U19 und zweite Mannschaft des VFL Wolfsburg. Dann nahm er ein Angebot des vielfachen südafrikanischen Meisters Kaizer Chiefs. Im Anschluss daran trainierte er für ca. zwei Jahre die Profi-Torhüter von Union Berlin. Bevor er zur Saison 2022/23 in die belgische Jupiler Pro League wechselte, bildete er drei Jahre lang die U17-Keeper des VfB Stuttgart aus.

Goalguard sprach mit Dennis unter anderem über die Gründe für seinen Wechsel nach Belgien, seine Erfahrungen mit unterschiedlichen Mentalitäten, über die Situation des belgischen Fußballs sowie seine Beobachtungen zur WM 2022 in Katar.

Artur StopperArtur Stopper Dennis, wie interessiert hast du die WM in Katar verfolgt?

Dennis RudelDennis Rudel Ich habe die WM sehr ausführlich und interessiert verfolgt. Da wir hier in Belgien schon direkt wieder in der Wintervorbereitung auf den Re-Start am 21.12. waren, hatte ich Zeit, sehr viele Spiele anzusehen. Am Anfang konzentrierte ich mich auf die Spiele von Belgien, Deutschland, Japan und Frankreich. Ab der Ko-Runde habe ich dann fast jedes Spiel live verfolgt.

Artur StopperArtur Stopper Welche Torhüter haben dich bei der WM positiv oder negativ überrascht?

Dennis RudelDennis Rudel Zu den positiven Überraschungen zählte für mich an erster Stelle der Kroate Dominik Livakovic. Für mich persönlich war er der beste Torhüter des Turniers. Sein Gesamtpaket an Big Saves, Spieleröffnung, Ausstrahlung und sehr niedriger Fehlerquote hat mich am meisten überzeugt. Ich hatte ihn aber auch schon im Herbst auf dem Radar, als er in der Champions League und Nations League starke Spiele ablieferte. Daher war er wohl auch zum Turnier hin in Topform. Der Marokkaner Bono performte ebenfalls top und hatte maßgeblichen Anteil an die positiven Überraschung Marokkos. Natürlich ließ auch der Argentinier Martinez mit seiner Monsterparade am Ende im Finale plus den gehaltenen Elfmetern im Turnierverlauf aufhorchen, aber nach meiner Meinung hatte er auch einige Gegentorbeteiligungen. Zudem machte sein unsportliches Verhalten ihn für mich nicht zum Torhüter des Turniers. Kurioserweise fielen die europäischen Toptorhüter wie Manuel Neuer, Unai Simon, Kasper Schmeichel, Thibaut Courtois oder auch der Portugiese Diogo Costa leistungsmäßig ab und hatten nicht ihre gewohnte Form, was sich dann auch im sehr frühen Ausscheiden ihrer Teams im Turnier widerspiegelte. Die Leistungen von Pickford und Lloris schätze ich als solide ein, der Pole Szczesny hat für mich ein kurzes, aber gutes Turnier gespielt.

Artur StopperArtur Stopper Eine WM ist immer auch eine Plattform für Neuerungen. Konntest du interessante Neuentwicklungen im Torwartspiel beobachten, oder welche Tendenzen hast du bei der WM im Torwartspiel wahrgenommen?

Dennis RudelDennis Rudel Ich denke grundsätzlich erfindet sich auch dort der Fußball nicht neu oder auch nicht das moderne Torwartspiel. Ich denke das internationale Topniveau rückt immer enger zusammen, so dass auf einmal bei einem solchen Turnier Torhüter positiv überraschen, die vielleicht vorher keiner so auf dem Schirm hatte. Nach meiner Ansicht konnte man bei vielen Elfmetern und im Elfmeterschießen so einige Taktiken und Bewegungsmuster erkennen, aus denen man als TW-Trainer das ein oder andere für sich herausziehen kann.

Artur StopperArtur Stopper Seit dieser Saison trainierst du die Torhüter des belgischen Erstligisten VV St. Truiden. Einer deiner Schützlinge ist Daniel Schmidt, der dem WM-Kader der japanischen Nationalmannschaft angehörte, aber dort nicht zum Einsatz kam. Was fehlte ihm, um sich gegen die beiden langjährigen Platzhirsche im Team der Japaner, nämlich Eiji Kawashima (39 Jahre, 95 Länderspiele) und Shuichi Gonda (33, 33 Länderspiele), durchzusetzen?

Dennis RudelDennis Rudel Die Frage lässt sich ganz kurz beantworten: Nichts! Daniel hat eine sehr starke Vorrunde gespielt, zählt mit zu den besten Keepern in Belgien und hatte im September bei den Länderspielen ein richtiges Statement gesetzt. Viele gingen deshalb von einer Wachablösung im Tor der Japaner aus, zumal Gonda in Japan mit seiner Mannschaft aus der J1-League abgestiegen ist. Auch die vielen japanischen Teamkollegen in Sint-Truiden waren der Ansicht, dass Daniel eine Chance im WM-Turnier erhalten sollte. Der japanische Coach Moriyasu entschied sich aber anderes und hielt an Gonda fest, der bereits die Qualifikation zur WM gespielt hatte.

Artur StopperArtur Stopper Markus Krauss, dein ehemaliger Trainerkollege beim VfB Stuttgart, hat für Goalguard das Torwartspiel von Daniel Schmidt analysiert. Als besondere Stärken hat er das Abfangen von Flanken sowie das Mitspielen ausfindig gemacht. Liegt er richtig in seiner Einschätzung?

Dennis RudelDennis Rudel Ja absolut. Man muss allerdings dazu sagen, dass das genaue Gegenteil der Fall war, als ich hier im letzten Sommer meine Arbeit begann. Trotz seinem Gardemaß von 1,97 m verhielt er sich in der Raumverteidigung eher passiv. Wir arbeiteten dann intensiv an den Schwerpunkten Positionierung, Startposition und Athletik und auch an der Entscheidungsphase, auf welche Bälle er tatsächlich gehen kann. Jetzt, 6 Monate später, ist das nun auffallend eine seiner großen Stärken geworden. Neben seiner auffallend guten Beidfüssigkeit und seinen augeprägten Reflexen macht ihn diese Fähigkeit für mich zu einem internationalen Toptorhüter, der nun im besten TW-Alter auch sicher in einer der Top 5 Ligen Europas spielen könnte.

Artur StopperArtur Stopper Wie bereits betont, arbeitest du seit dieser Saison beim belgischen Erstligisten VV St. Truiden. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

Dennis RudelDennis Rudel Als ich mich dazu entschieden hatte, nach meiner Tätigkeit in der U17 beim VfB Stuttgart noch einmal im Herrenbereich zu arbeiten, waren zunächst ganz andere Vereine und Tätigkeiten zur Disposition gestanden. Über einen gemeinsamen Bekannten von Coach Bernd Hollerbach kam der Kontakt zustande. Es war dann eher eine Nacht und Nebel Aktion zwischen dem erstem Anruf und der ersten Einheit auf dem Platz, der Wechsel verlief also sehr spontan.

Artur StopperArtur Stopper Aktuell belegt ihr nach 18. Spieltagen den 10. Platz in der belgischen Jupiler League. Entsprecht ihr damit den Erwartungen der Fans und den Zielvorgaben der Vereinsführung?

Dennis RudelDennis Rudel Ja, wenn man die Möglichkeiten der ST.VV genau betrachtet, sind wir schon “sehr” zufrieden. Wir sind ein kleiner Verein in der Liga und wollten uns dieses Jahr noch einmal weiterentwickeln. Im Moment stehen wir so da, dass wir für die Rückrunde noch alle Chancen haben, die Play-Offs zu erreichen. Daneben haben wir aber auch im Pokal für Furore gesorgt und beim FC Brügge im Achtelfinale des belgischen Pokals 1-4 gewonnen. Das war der erste Sieg in der Historie der ST.VV beim großen FC Brügge. Nun stehen wir im Viertelfinale. Ich denke, dass wir im Pokal noch weit kommen können, das wäre ja bekanntlich ein kurzer Weg nach Europa.

Artur StopperArtur Stopper Wie siehst Du den belgischen Fussball im Allgemeinen?

Dennis RudelDennis Rudel Die belgische Liga ist gefühlt eine reine Ausbildungsliga. Sehr viele junge Spieler spielen dort, die oft nur eine Saison hier spielen und dann nach Frankreich, Holland, England oder Deutschland wechseln. Die Jupiler Pro League wird, finde ich, extrem gescoutet. Es ist eine physisch sehr starke Liga und ist vom Niveau sehr ausgeglichen. Es gibt 6-8 Topteams, die jedes Jahr ganz oben sein wollen. Auffällig ist auch, dass die belgischen Teams mit Brügge in der Champions League, Union St.Gilliose in der Europa League, Anderlecht und Gent in der Conference League alle international souverän überwintert haben und mit beachtlichen Ergebnissen aufwarteten.

Artur StopperArtur Stopper In Belgien wurden in den vergangenen Jahren großartige Torhüter wie Courtois oder Casteels entwickelt. Gibt es Unterschiede in der Torwartausbildung zwischen Belgien und Deutschland?

Dennis RudelDennis Rudel Vielleicht bin dazu noch nicht lange genug in Belgien, um das zu 100% beantworten zu können. Aber man kann erkennen, dass belgische Keeper im 1 gegen 1 alle extrem lange groß bleiben, stehen bleiben, eher aus der Nahdistanz reagieren oder versuchen, sich anschießen zu lassen, während man ja bei uns in Deutschland eher den durchgeschobenen Block bevorzugt, um aktiver zu sein. Als die TW-Hochburg in Belgien gilt der KRC Genk. Sowohl Courtois als auch Casteels wurden dort ausgebildet. Auch Maarten Vandervoort (20), der aktuelle Schlussmann in Genk, spielt herausragend, ist belgischer U21-Nationalkeeper und wurde bereits von RB Leipzig verpflichtet. Wir hier in Sint-Truiden haben mit dem belgischen U17-Nationaltorwart Matt Lendfers (16) aus meiner Sicht ebenfalls ein Riesentalent. Aber auch Matt stammt ursprünglich aus der Talentschmiede in Genk. Mit Sicherheit machen sie also in Genk sehr viel richtig und es wäre interessant, mehr über ihre Arbeitsweise zu erfahren.

Artur StopperArtur Stopper Als Torwarttrainer hast du neben deiner Arbeit in deutschen Klubs auch bei Kaizer Chiefs in Südafrika mit afrikanischen Torhütern und jetzt in Belgien mit dem Japaner Daniel Schmidt gearbeitet. Gibt es Unterschiede in der Mentalität zwischen den Torhütern verschiedener Kontinente?

Dennis RudelDennis Rudel Zuerst einmal muss dazu sagen, dass es extrem spannend ist, in anderen Ländern mit verschiedenen oder mehreren Sprachen zu arbeiten. Das erweitert den Horizont extrem und man entwickelt eine sehr ausgeprägtes Feingefühl im Coaching oder der Ansprache mit den Torhütern. Denn dein angesprochener Unterschied in der Mentalität ist naturgemäß gegeben. Man muss versuchen zu lernen, wie ein Afrikaner oder Japaner tickt, und selbst ein Belgier ähnelt komischerweise nicht so sehr dem Deutschen. Es kommt darauf an, ihre Köpfe zu erreichen. Die Jungs müssen spüren, dass man nur das Beste für sie möchte und sie voranbringen will. Aber ich bin nun auch schon mittlerweile 15 Jahre dabei, und irgendwann hilft einem natürlich da auch die langjährige Erfahrung weiter.

Artur StopperArtur Stopper Weißt du schon, wie deine sportliche Zukunft in der kommenden Saison aussehen wird?

Dennis RudelDennis Rudel Mein Vertrag endet hier im Sommer. Von der ST.VV kamen bereits konkrete Signale, langfristig verlängern zu wollen. Da allerdings der Chefcoach Bernd Hollerbach im Sommer seine Tätigkeit beenden wird, muss man abwarten, wie sich das Ganze hier entwickelt. Es gibt bereits aus Deutschland und Österreich Interesse von anderen Klubs, daher lasse ich alles auf mich zukommen und konzentriere mich auf die sportlichen Ziele und Möglichkeiten hier. Dann wird man schon sehen, wo die Reise hingeht.

Interview Dennis Rudel VV St. Truiden Division 1A

Artur Stopper

Artur Stopper

Mit über 25 Jahren Erfahrung als Torwarttrainer weiß Artur, wie Torhüter ticken. Deshalb bevorzugt er Themen, die die Welt der Torhüter ausmachen: Vereinswechsel, Tiefschläge, Pechsträhnen, Höhenflüge, Emotionen, Ersatzbank, Halbgötter, Erfolge.

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