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Die Augen spielen bei der Informationsaufnahme des Menschen eine entscheidende Rolle, denn 80 – 90 % aller Informationen erhält der Mensch über das Sehorgan. Von den Augen gelangt das Signal zum Gehirn, von dort wird es an die Muskeln weitergesendet. Über diese Impulse werden die Gliedmaßen in Bewegung gesetzt. So funktionieren auch die Abläufe bei Aktionen des Torhüters. Eine gute Informationsaufnahme über die Augen ist also die entscheidende Grundlage dafür, dass eine Aktion gut gelingt. Aber sie ist nicht immer einfach für den Keeper.

Flugbahn verändert sich häufig

Die Wahrnehmung des Torhüters wird aber oft erschwert, weil die Flugbahn des Balles in einem Spiel oft eine überraschende Richtungsänderung erfährt, wie die Grafik zeigt.

Goalkeeping Development, 2024

Andrey Shpilev, Torwarttrainer beim russischen Erstligisten FC Ural Jekaterinburg, hat sich mit der Rolle der Augen im Torwartspiel befasst.

Betrachtet man sich die Abläufe vor einem Schuss genauer, fällt auf, dass bei den meisten Torabschlüssen der Ball unmittelbar vor dem Schuss noch in Bewegung ist, wie z.B. vor einer Flanke oder einem Vertikalpass ins Zentrum. Auch bei einem Dribbling, einem Abpraller oder nach einem parierten Schuss des Torhüters ist dies der Fall. Eher seltener hingegen erfolgen Torabschlüsse nach einem ruhenden Ball. Das ist meist nur nach direkten Freistößen oder Elfmetern der Fall. Darauf muss sich ein Torhüter einstellen

Die Augen – bedeutend im Torwartspiel

Doch wie kann sich der Torhüter schon frühzeitig auf diese Situation vorbereiten? Eine wichtige Voraussetzung ist eine hohe Konzentrationsfähigkeit des Torwarts. Denn um Spielsituationen richtig einzuschätzen, muss er seine Aufmerksamkeit ständig auf hohem Niveau halten. Dabei muss er seinen Fokus auf drei Aspekte richten: Auf den Ball, auf die Positionierung der gegnerischen Spieler sowie auf die seiner Mitspieler.

Beobachtungsphasen vor einer Flanke

Betrachten wir eine konkrete Spielsituation, wie sie häufig auftritt und in der alle drei Aspekte von Bedeutung sind. Sie zeigt, dass der Torhüter seinen Blickwinkel ständig verändern und der Spielsituation anpassen muss. Der Ablauf: Der Ball wird von der Spielfeldmitte (1) für eine anschließende Flanke nach außen gepasst. Der Torhüter erfasst die Richtung des Passes, seine Stärke und die Flugbahn des Balles. Während der Ball unterwegs ist, scannt er bereits den Raum vor seinem Tor (2), dirigiert seine Mitspieler in eine gute Abwehrorganisation und passt seine eigene Positionierung an die Spielsituation an.

Goalkeeping Development, 2024

Dann richtet er seine Aufmerksamkeit wieder auf den Ball (3) und konzentriert sich auf den gegnerischen Spieler, in dessen Richtung der Ball gespielt wird, noch bevor dieser den Ball erhält. Mit diesen drei Beobachtungsphasen bewertet der Torhüter also die Spielsituation. Sie sind die Grundlage für seine Entscheidung.

Die Flanke – bleiben oder kommen?

Nun beginnt die entscheidende Phase, für deren Gelingen wiederum ein gutes Auge und eine gute Wahrnehmung die Voraussetzung sind. Sobald der Ball vom Flankengeber in Richtung Tor gespielt worden ist, muss der Torwart entscheiden, ob er den Ball abfangen kann oder lieber in abwartender Position in seinem Tor bleibt.

a) Den Raum verteidigen

Entscheidet er sich für das Abfangen der Flanke, wird vom Torhüter einiges gefordert. Zunächst muss er über die Wahrnehmung der Augen die Flugbahn des Balles, dessen Rotation und Geschwindigkeit sowie die eigenen Fähigkeiten erfassen und richtig einschätzen.

Goalkeeping Development, 2024

Anhand der gewonnenen Informationen erfasst er den voraussichtlichen Landepunkt des Balles und macht den höchsten Punkt aus, an dem er den Ball abfangen kann, um so einen Höhenvorteil gegenüber den Feldspielern zu haben. Gleichzeitig muss er noch die kreuzenden Bewegungen der gegnerischen Stürmer im Auge behalten sowie den Ball mit der nötigen Entschlossenheit, dem richtigen Timing und der entsprechenden körperlicher Präsenz sichern

b) Fokussierung auf den Schützen

Möglicherweise hat sich der Torhüter aber auch die Entscheidung getroffen, in seinem Tor zu bleiben. Dieser Moment ist für den Torhüter besonders schwierig. Warum? Um die Wahrnehmung der Augen in diesem Moment nachvollziehen zu können, schlägt Andrey Shpilev ein Experiment vor. Der Selbstversuch geht folgendermaßen: Richte nach einer schnellen Drehung des Kopfes von einer Seite zur anderen die Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Ziel. Du wirst feststellen, dass dein Blick für den Bruchteil einer Sekunde verschwommen ist. Es braucht also eine gewisse Zeit, um das Bild zu stabilisieren. Genau dieselben Wahrnehmungen hat ein Torhüter bei einem Torabschluss nach einer Flanke. Die Augen des Torhüters brauchen etwas Zeit, um sich scharf einzustellen, der Ball ist aber bereits in Richtung Tor unterwegs. Er hat den exakten Zeitpunkt des Schusses verpasst.

Mit welchen Maßnahmen kann er seine Erfolgschance erhöhen? Der Torhüter ist spätestens ab der Hälfte des Flugweges der Flanke in der Lage zu erkennen, ob er die Flanke abfangen kann oder sich besser auf die Torlinie zurückzieht. Entscheidet er sich für die zweite Lösung, tut der Torhüter gut daran, den Ball weiterhin im seitlichen Blickwinkel im Auge zu behalten, den Blick aber bereits auf den Spieler gerichtet zu haben, der zum Torabschluss kommt. Mit der frühzeitigen Fokussierung der Augen auf den Schützen erhöht der Torhüter deutlich seine Chancen, den Schuss zu parieren.

c) Die Augen geöffnet lassen

Nicht immer gelingt es, die Augen auf den Schuss gerichtet zu lassen. Jeder Mensch besitzt einen Augenreflex, bei dem das Auge durch das Nervensystem gesteuert wird und das Sehorgan die Augenlider zum Schutz automatisch für einen Sekundenbruchteil schließt, wenn es Gefahr spürt. Das kann der Fall sein, wenn ein Gegenstand schnell auf das Auge zufliegt, ebenso aber auch bei einem Knallgeräusch, einem Stoß oder bei einem Lichtstrahl im Dunkeln. Dieser Effekt ist im Torwartspiel am häufigsten bei 1gegen1-Situationen zu beobachten, in denen im Moment des Blockierens die Augen auf die „Gefahr“ reagieren. Aber auch in anderen Spielsituationen oder bei der Mauerbildung gibt es Momente, in denen es ein großer Nachteil ist, wenn die Augen bei der Torverteidigung für einen kurzen Moment geschlossen sind. Aus der Boxersprache wissen wir, dass der gefährlichste Schlag jener ist, den wir nicht sehen. Die Boxer haben spezielle Methoden und Übungen entwickelt, um die Gewohnheit, die Augen bei Gefahr zu schließen, loszuwerden.

Auch im Torwarttraining macht es deshalb Sinn, daran zu arbeiten, dass der Torhüter seine Augen in solchen Aktionen nicht schließt oder den Blick vom Ball abwendet, weil er ansonsten den entscheidenden Moment des Schusses verpasst. Wie die Boxer müssen Torhüter lernen, dass es besser ist, der Gefahr ins Auge zu schauen. Andrey Shpilev hat dafür Übungen entwickeln, die wie euch in einem Folgeartikel zeigen werden.

Der Ball ist abgefangen – was nun?

Sobald der Torhüter den Ball gefangen hat, beginnt sein nächster Part, die Spielfortsetzung. Sie hängt von einigen Faktoren ab. Entscheidend ist zunächst die Spielphilosophie des Trainers, seine Taktik und die dadurch resultierenden Vorgaben. Bevorzugt der Trainer das schnelle Umschaltspiel oder den Spielaufbau über das Kurzpassspiel? Aber auch der momentane Spielstand sowie die Restspielzeit haben Einfluss auf die Art der Spielfortsetzung. In optimalen Fall leitet der Torhüter aber einen schnellen Angriff ein, mit dem er möglichst viele gegnerische Spieler überspielt. Oft gibt es dafür eingespielte Abläufe. Meist muss er sich aber an der Spielsituation orientieren und eine schnelle Entscheidung treffen. Hat er den Ball abgefangen, richtet er sofort seinen Blick nach vorne und scannt bereits bei seinen ersten Schritten das gesamte Spielfeld, um die richtige Entscheidung für ihn und das Team zu treffen. Sein erster Blick geht dabei zuerst sowohl zur rechten als auch linken Seite in der gegnerischen Spielfeldhälfte, aber auch Bereiche in der eigenen Spielhälfte kommen in Frage. Dabei gilt die alte Regel: Wenn der Ball von der linken Seite kommt, schaut der Torhüter sofort in die entgegengesetzte Richtung und bevorzugt den Wurf auf die rechte Seite. Dann braucht es nur noch die Entscheidung in den bestmöglichen Raum und die richtige technische Ausführung.

Andrey Shpilev hat es überzeugend belegt: „Augenarbeit“ ist neben anderen Schwerpunkten ein wichtiger Aspekt des Torwarttrainings. Der Torhüter braucht die Fähigkeit, seine Konzentration auf mehrere Objekte zu verteilen, wie im gezeigten Beispiel auf den Flankengeber, die Organisation der Abwehr und den Zielspieler. Gleichzeitig muss er die für ihn hilfreiche Aspekte und Signale herauszufiltern und anschließend den Fokus intensiv auf den Abschluss, also den Schützen, richten. Wie Andrey Shpilev die "Augenarbeit" in seinem Training umsetzt, zeigen wir euch in einem Artikel, der in Kürze folgen wird. .

Wenn ihr mehr über Andrey Shpilev erfahren wollt, besucht seine Internetseite.

Training

Artur Stopper

Artur Stopper

Mit über 25 Jahren Erfahrung als Torwarttrainer weiß Artur, wie Torhüter ticken. Deshalb bevorzugt er Themen, die die Welt der Torhüter ausmachen: Vereinswechsel, Tiefschläge, Pechsträhnen, Höhenflüge, Emotionen, Ersatzbank, Halbgötter, Erfolge.

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