Jede Mannschaft hat ihre Ersatzspieler, die mehr oder weniger enttäuscht darüber sind, dass der Trainer nicht auf sie gesetzt hat. Während die Feldspieler wenigstens auf einen Spieleinsatz auf einer für sie ungewohnten Position hoffen können, falls die angestammte Position besetzt ist, kommt ein Ersatztorwart meist nur zum Einsatz, wenn der Stammtorwart verletzt, außer Form oder aufgrund einer Roten Karte gesperrt ist. Ansonsten muss er auf der ungeliebten Bank Platz nehmen. Daraus kann sich manchmal eine für das Mannschaftsgefüge oder für das Trainer-Torwart-Verhältnis problematische Situation ergeben, wenn sich der Ersatztorwart nicht ohne Murren mit dieser Situation abfindet. Deshalb muss sich der Trainer mit dieser Situation befassen, den Charakter seines Ersatztorwarts kennen oder sich bereits bei der Verpflichtung eines Torhüters bewusst sein, welchen Typ von Torhüter man verpflichten will. Denn die Akzeptanz, auf der Ersatzbank Platz nehmen zu müssen, ist unterschiedlich und hängt meist vom Charakter, dem Alter und der Erwartungshaltung des Torhüters ab.
Grundsätzlich kann man Ersatztorhüter in folgende Kategorien unterteilen:
Der unproblematische Typ
Der unproblematischste Typ ist oft der Torwart, der den Großteil seiner Karriere bereits hinter sich hat und keine ehrgeizigen Pläne mehr verfolgt. Er erhebt keine Ansprüche und akzeptiert, dass er nur noch im Falle einer Verletzung oder eines Spielverbotes zum Einsatz kommt. Sobald diese Phase vorüber ist, ist er meist bereit, den alten Platz auch bei guten Leistungen ohne Ansprüche wieder einzunehmen. Aufgrund seiner Erfahrung und Reife ist er außerdem in der Lage, dem jüngeren Torwart Tipps zu geben und ihn zu unterstützen. Oft eignet er sich auch als Berater in allen Lebensfragen für junge Spieler und trägt mit seiner Gelassenheit meist zu einem angenehmen Klima innerhalb der Mannschaft bei. Diesen Typ von Torhüter verkörpert z.B. Sven Ulreich beim FC Bayern München und ist sicherlich am pflegeleichtesten für einen Trainer.
Der junge Torwart
Ebenso problemlos ist meist ein junger Torwart, der gerade aus der Jugend oder einer niedrigeren Liga gekommen ist. Er ist zunächst froh, Teil einer neuen Gruppe und eines größeren Ganzen zu sein und ist daher mit seiner Situation als Bankdrücker meist zufrieden. Ein Vertreter dieses Torwarttyps wird wohl U21-Nationaltorhüter Lennart Grill werden, der im Sommer vom Drittligisten 1. FC Kaiserslautern zum Bundesligisten Bayer Leverkusen wechselt. Er will sich unter anspruchsvolleren und höheren Trainingsbedingungen entwickeln und von der aktuellen Nummer eins bei Bayer 04, Lukas Hradecky, lernen. Er befindet sich also in einem Lernprozess und wartet auf seine Chance. Deshalb wird er seine Rolle als Ersatztorwart ohne Murren annehmen.
Der ehrgeizige Torwart
Weitaus schwieriger ist der Fall, wenn ein Torhüter, der Stammtorwart war und aufgrund einer Verletzung seinen Platz als Nummer eins verloren hatte, seinen Platz vor der Verletzung wieder beansprucht, obwohl sein Vertreter ebenfalls gute Leistungen abgeliefert hat. Er ist ungeduldig und überzeugt, dass er nicht grundlos zunächst bevorzugt wurde und deshalb wieder einen Anspruch auf seinen angestammten Platz hat, den er schuldlos verloren hatte.
Der von sich überzeugte Torwart
Am meisten Probleme bereitet sicherlich ein Torwart, der sein Leistungsvermögen selbst nicht richtig einschätzen kann oder sich auf gleichem Leistungsniveau mit dem Stammtorwart befindet. Er empfindet es als persönliche Zurücksetzung, nicht den Vorzug gegenüber dem Torwartkonkurrenten erhalten zu haben. Hier muss der Trainer immer mit viel Feingefühl in Gesprächen seine Entscheidung darlegen und die Hoffnung aufrechterhalten, dass er seine Chance noch bekommt. Für den Trainer ist es eine leichte Aufgabe, eine Wahl zu treffen, wenn ein deutlicher Leistungsunterschied erkennbar ist. Schwieriger ist die Situation für ihn, wenn die Torhüter in ihrem Leistungsvermögen ebenbürtig sind.
Doch wie lassen sich unnötige Spannungen innerhalb der Mannschaft, die vom Ersatztorwart ausgehen können, vermeiden? Wichtig ist sicherlich immer, dass auch der Ersatztorwart den Eindruck hat, ein Teil der Mannschaft zu sein und seinen Teil zum Erfolg beizutragen. Der Trainer muss ihm das Gefühl vermitteln, dass er Vertrauen in sein Leistungsvermögen hat, und sich wahrgenommen fühlt. Sind Respekt und Wertschätzung gegenüber dem Ersatztorwart vorhanden, werden sich die meisten in die unbefriedigende Rolle des Stellvertreters einfügen.